Trubel um Tony, Konfusion bei Tories

Hinterbänkler brachten Blair eine Niederlage bei

  • Ian King, London
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

In der britischen Politik gilt der Juli als Sauregurkenzeit. Aber 2001 ist alles anders. Labours Plebejer, die Hinterbänkler und Gewerkschafter, probieren den Aufstand, die Konservativen wählen einen neuen Hoffnungsträger.

Die britischen Wähler hatten Tony Blairs Reformversprechungen im Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrswesen gern geglaubt, da die Labour-Regierung nach drei mageren Jahren ihr Füllhorn über den öffentlichen Dienst ausgeschüttet hatte. Aber der Premier wollte einen Schritt weitergehen. Auch Privatfirmen sollten bei der Suche nach Effizienzsteigerungen helfen - Schulen organisieren, Kantinen und Putzarbeiten in Krankenhäusern übernehmen, die finanziell ausgeblutete Londoner U- Bahn sanieren helfen. Ein Aufschrei der Empörung hallte durch die Lande. Lord Roy Hattersley, neun Jahre lang als stellvertretender Parteichef Exponent des rechten Flügels, rief in seiner Zeitungskolumne plötzlich die Labour-Linken zum Widerstand gegen alle Privatisierungspläne auf. Die drittstärkste Einzelgewerkschaft GMBU strich ein Drittel ihrer jährlichen Spende an Labour, sie denkt gar laut darüber nach, in Zukunft die Kandidaten anderer Parteien zu unterstützen. Doch der Premier überhörte die Hinterbänkler ein zweites Mal und warf sich unerschrocken in den Kampf gegen unbotmäßige Parteifreunde. Donald Anderson und Gwyneth Dunwoody, die unabhängig denkenden Vorsitzenden der parlamentarischen Ausschüsse für Außen- und Verkehrspolitik, wurden von der Parteispitze nicht mehr für die wichtigen Kontrollämter nominiert. Ein Proteststurm erzwang eine Unterhausabstimmung: Mit Mehrheiten von 69 und 87 Stimmen wurden die Querdenker von ihren Kollegen im Amt bestätigt. Die erste Unterhausniederlage für Strahlemann Blair. Konnte der Premier sich auf die Parteifreunde nicht mehr verlassen, boten seine Tory-Gegner bisher stets ein Bild des Jammers. Wenn die Konservativen, wie 2001 geschehen, bei jeder Wahl nur ein zusätzliches Mandat gewinnen, kommen sie erst in 700 Jahren wieder an die Regierung. Trotzdem bewarben sich fünf Optimisten um den durch den Rücktritt William Hagues frei gewordenen Posten als Oppositionsführer. Nach heftigen Intrigen und drei Ausscheidungsrunden in der Fraktion gelang es den Thatcher-Nachfolgern, den 300000 Parteimitgliedern zwei diametral entgegengesetzte Kandidaten zu präsentieren: den Finanzminister a.D. Ken Clarke sowie den verteidigungspolitischen Sprecher der Fraktion und rechten Europa-Hasser, Iain Duncan-Smith. Anfangsfavorit Michael Portillo dagegen unterlag. Der ehemalige Ziehsohn Thatchers hatte jugendliche homosexuelle Erfahrungen gebeichtet, für Frauenquoten und die Legalisierung von Marihuana plädiert. Obwohl von der Mehrheit des Schattenkabinetts unterstützt, beging Portillo mit diesen in der Partei unzeitgemäßen Einsichten politischen Selbstmord. Ob Clarke, der robuste Überraschungssieger der Fraktionsabstimmung, sich gegen den glatzköpfigen Duncan-Smith (Spottname: Hagues Vater) bei den Parteimitgliedern durchsetzt? Wenn die To-ries wieder gewinnen wollen, werden sie den bulligen, im Volk beliebten Clarke auf den Schild heben; wenn sie lieber mit dem euroskeptischen Flügel verlieren, den ehemaligen Armeeoffizier »IDS«. Aber wer auch immer im September gewählt wird: Zurzeit erwächst Blair ei...

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