Die politische Krise in Irak verschärft sich. Nachdem die Liste Al Irakija aus Protest gegen die Amtsführung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki ihre Mitarbeit im Parlament eingestellt hat, fordert nun die Liga der Gerechten die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Die Liga steht dem religiösen Führer Muktada Sadr nahe und stellt den größten Block schiitischer Abgeordneter.
Sadr, langjähriger Kritiker Malikis, hatte durch seine Zustimmung erst dessen Wahl zum Ministerpräsidenten ermöglicht. Bei den Parlamentswahlen im März 2010 hatte Malikis Partei der Rechtsstaatlichkeit hinter der Irakija-Liste nur Platz 2 belegt. Maliki erkannte den Irakia-Wahlsieg aber nicht an und war auch nicht bereit, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Stattdessen erstritt er in monatelangem Tauziehen mit Sadrs Unterstützung seine neuerliche Machtübernahme. Mit Ausnahme des kurdischen Blocks haben die meisten Parteien, die Maliki zur Macht verhalfen, ein religiöses Programm und gehören zur Gruppe der schiitischen Muslime. Deshalb wird seine Regierung häufig als »schiitisch« und die derzeitige Krise als »Machtkampf zwischen Schiiten und Sunniten« beschrieben. Die Liste Al Irakija wird dagegen als »sunnitisch« charakterisiert.
In beiden Blöcken arbeiten allerdings Politiker verschiedener Glaubensrichtungen. Vorsitzender von Al Irakija ist Ijad Allawi - wie Maliki ein Schiit. Anders als der Premier verfolgt Al Irakija jedoch einen säkularen Kurs. Nach Meinung von Beobachtern war es diese Linie, die der Liste 2010 den Wahlsieg brachte.
Kritik richtet sich gegen Malikis Amtsführung und seine Machtfülle. Die Ämter von Verteidigungs-, Sicherheits- und Innenminister hat der misstrauische Premier gar nicht erst besetzt, er kontrolliert diese Bereiche selbst. Vizepremier Saleh al-Mutlak - Al-Irakija-Politiker - kommentierte dies vor Tagen, indem er klagte, die Amerikaner hätten in Irak einen Diktator hinterlassen, der »schlimmer als Saddam Hussein« sei. Maliki leitete daraufhin ein Amtsenthebungsverfahren gegen Mutlak ein.
Auch Vizepräsident Tarek al-Hashemi bekommt den Zorn des Ministerpräsidenten zu spüren. Maliki beschuldigt ihn, mit Todesschwadronen zu kooperieren und Mordanschläge in Auftrag gegeben und finanziert zu haben. Er ließ einen Haftbefehl gegen Hashemi ausstellen.
Todesschwadronen agieren seit 2005 in Irak. Im Januar 2005 berichtete das US-Magazin »Newsweek« von Plänen des Pentagons, mit derartigen paramilitärischen Einheiten gegen Besatzungsgegner vorzugehen. Der Plan wurde bekannt unter dem Namen »Option Salvador«. In den 80er Jahren hatte die CIA Todesschwadronen für verbündete Regierungen in Zentralamerika finanziert.
Hashemi hält sich inzwischen im autonomen Kurdengebiet in Nordirak auf, wo er unter dem persönlichen Schutz des irakischen Präsidenten und Kurdenführers Dschalal Talabani steht. Irakischen Sicherheitskräften ist es nicht gestattet, die Autonomiegebiete zu betreten. Maliki warnte die Kurden jedoch davor, Haschemi fliehen zu lassen, das werde »Probleme geben«. Der Vizepräsident müsse nach Bagdad ausgeliefert werden, um sich vor Gericht zu verantworten. Der Beschuldigte wiederum wirft Maliki vor, ihn und andere Politiker zu verfolgen, um politische Widersacher auszuschalten.
Zu den jüngsten Anschlägen in Bagdad bekannte sich unterdessen eine mutmaßlich Al Qaida nahestehende Gruppe namens »Der islamische Staat Irak«. Sie habe auf Internetseiten die Führung des Landes kritisiert, meldete die Agentur Sumaria News.
dpa/nd
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/214229.machtkampf-in-bagdad-voll-entbrannt.html