nd-aktuell.de / 28.12.2011 / Politik / Seite 1

Totalversagen Fukushima

Bericht zur AKW-Katastrophe zeigt Fehler von Betreiber und Behörden

Steffen Schmidt
Neun Monate, nachdem vier Reaktoren des japanischen Atomkraftwerks Fukushima durch ein schweres Erdbeben und einen Tsunami schwer beschädigt wurden, bescheinigt der vorläufige Bericht einer unabhängigen Kommission der Betreiberfirma Tepco und der Atomsicherheitsbehörde NISA mehrfaches Versagen.
Der erste Zwischenbericht einer von der japanischen Regierung eingesetzten Untersuchungskommission zu der AKW-Katastrophe von Fukushima fällt ziemlich vernichtend aus. Hatte der Leiter der Kommission, der pensionierte Technikwissenschaftler Yotaro Hatamura, noch bei Übernahme der Aufgabe gemeint, es gehe darum, Lehren für die übrigen AKW aus der Katastrophe zu ziehen und nicht Schuldige zu finden, so finden sich im Zwischenbericht doch zuerst einmal etliche Schuldige: Das beginnt mit dem Energiekonzern Tepco und geht bis zu den Behörden und ihren Fehlern bei der Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung.

Die Betreiberfirma Tepco lieferte von Anfang an nur ungenaue und unvollständige Informationen über den Zustand der Meiler und die Gefahren, die von Ihnen ausgehen. Deshalb hatte die japanische Regierung die Kommission eingesetzt, um die nach Tschernobyl größte Katastrophe der zivilen Atomtechnik zu untersuchen.

Der Bericht kritisiert Tepco und die Behörden wegen der inflationären Benutzung des Wortes »unvorhergesehen« im Zusammenhang mit dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe. Doch der Betrieb eines Atomkraftwerks verlange von den Behörden gerade das unvorhersehbare vorherzusehen, zitiert die »New York Times« Hatamura. »Selbst wenn es sich hier um ein sehr unwahrscheinliches Phänomen handelt, bedeutet das nicht, dass man es einfach ignorieren kann«, heißt es im Bericht.

Dennoch habe die ursprüngliche Genehmigung der Reaktorblöcke aus den Jahren 1966 bis 1972 nur den 3,1 Meter hohen Tsunami des chilenischen Erdbebens von 1960 zugrunde gelegt, sodass ein Schutz gegen 6 Meter hohe Wellen als ausreichend erachtet wurde. Tatsächlich war der Tsunami mehr als doppelt so hoch, kritisiert der Bericht. Historische Daten über nähergelegene Seebeben hätten auch damals schon höhere Flutwellen erwarten lassen.

Insgesamt, so heißt es in dem am Montag in Tokio veröffentlichten 507-Seiten-Bericht, seien weder Tepco noch die Behörden auf eine Katastrophe dieses Ausmaßes vorbereitet gewesen. Tepco hat dem Bericht zufolge seine Arbeiter nicht ausreichend ausgebildet, um das Unglück zu bewältigen.

Das Atomkraftwerk im Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu wurde bei dem schweren Erdbeben vom 11. März 2011 stark beschädigt. Nach den ersten Erdstößen wurden die Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Fukushima automatisch heruntergefahren. Als sie danach noch von einer 15 Meter hohen Flutwelle eines Tsunami überrollt wurden, fiel mit der Stromversorgung die gesamte Notkühlung aus. Infolgedessen sind die Brennstäbe in den Reaktoren 1 bis 3 vollständig geschmolzen.