nd-aktuell.de / 07.01.2012 / Politik / Seite 1

Bombenanschlag in Damaskus

25 Menschen starben / Syrische Opposition bezichtigt Assad-Regime

Ingolf Bossenz
Ein Bombenanschlag in der syrischen Hauptstadt Damaskus tötete am Freitag rund 25 Menschen. Wer ihn verübte, ist unklar. Die Bluttat wurde umgehend für den Propagandakrieg der Konfliktparteien instrumentalisiert.

Die Bombe, die etwa 25 Menschenleben forderte, explodierte im dicht besiedelten Al-Midan-Viertel der syrischen Metropole zur Zeit des Freitagsgebets. Es gab bis zu 50 Verletzte. Die meisten Opfer waren den Angaben zufolge Zivilisten. Der Stadtteil gilt als Hochburg der Regimegegner.

Umgehend erklärten oppositionelle Kreise, das Regime von Präsident Baschar al-Assad habe die Gewalttat als Racheakt gegen die Widerstandsbewegung verübt. Die staatlichen Medien hingegen sahen Selbstmordattentäter mit islamistischem Hintergrund am Werke.

Klar ist offenbar nur, dass die blutigen Auseinandersetzungen nun endgültig die Hauptstadt des zerrissenen arabischen Landes erreicht haben. Die in Internetforen der Regimegegner verbreitete Version, der Sicherheitsapparat habe den Anschlag verübt, blieb im Bereich der Spekulation. Immerhin passt sie zu den Aussagen eines hochrangigen Überläufers, der erst am Donnerstag von Kairo aus in Interviews eine Sicht geliefert hatte, die sich auf intime Kenntnis der Damaszener Verhältnisse berief. Der früher für das Verteidigungsministerium und das Büro des Ministerpräsidenten zuständige oberste Finanzkontrolleur Mahmud al-Hadsch Hamad hatte erklärt, die Verantwortung für die Gewalt gegen Demonstranten liege »bei den Sicherheitskräften, und zwar konkret beim Militärgeheimdienst, bei der Direktion des Allgemeinen Geheimdienstes und beim Geheimdienst der Luftwaffe«. Die syrische Regierung habe, so Hadsch Hamad, damit nichts zu tun. Die Mitglieder des Kabinetts seien »Gefangene, die ohne Begleitung der Sicherheitskräfte keinen Schritt mehr machen dürfen«. Viele Minister wollten sich vom Regime lossagen, sie harrten aber aus, weil sie Angst hätten, dass ihren Angehörigen dann etwas angetan werden könnte. Gleiches gelte für viele führende Offiziere. Als konkrete Akteure von Gräueltaten nannte er die Schabiha-Miliz. Diese würde aus dem Etat des Verteidigungsministeriums bezahlt.

So ist denn auch ein Sprecher der Opposition, der sich aus der türkischen Grenzprovinz Hatay meldete, der festen Überzeugung, das Regime selbst habe die Bombe hochgehen lassen. Er begründet das mit dem Rachebedürfnis der Assad-Leute, da in Al-Midan »viele Revolutionäre« leben. Zugleich werde mit dem Attentat den anwesenden Beobachtern der Arabischen Liga ein »Beweis« für den terroristischen Charakter der Revolte im Lande geliefert. An diesem Wochenende will die Liga den bisherigen Einsatz der Beobachtermission bewerten. In mehreren syrischen Städten gab es auch am Freitag wieder Demonstrationen. Dort wurde den Beobachtern der Arabischen Liga vorgeworfen, das Blutvergießen bisher nicht gestoppt zu haben. Rufe nach einer UNO-Intervention wurden laut.

Dass die Assad-Getreuen ausgerechnet in der Herrschaftszentrale des Regimes ein Terrorstück zur Stabilisierung ihrer angeschlagenen Machtposition inszenieren, bezweifeln Analysten indes durchaus. Zumal der Präsident gerade in Damaskus offenbar noch über ein auf seiner Seite stehendes Bevölkerungspotenzial verfügt.

Vermutlich wird die Terrortat ebenso unaufgeklärt bleiben wie jene vor gerade einmal zwei Wochen. Am 23. Dezember waren in Damaskus Anschläge gegen Gebäude des Geheimdienstes und der Sicherheitskräfte verübt worden. Dabei starben 44 Menschen, über 160 wurden verletzt. Zwar kursierte ein angebliches Bekennerschreiben der Muslimbrüder im Internet. Die Organisation bezeichnete dieses aber umgehend als Fälschung. Ein Sprecher der sunnitisch-islamistischen Bewegung hatte auch damals der Führung in Damaskus vorgeworfen, sowohl hinter der Fälschung wie hinter den Anschlägen zu stecken. Die Muslimbrüder verlangten zu dem neuen Attentat eine internationale Untersuchung der Hintergründe. Bevor »die Verbrecher die Beweise vernichten«, wie ein Sprecher der Bewegung betonte.