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Per Strafanzeige gegen Satire

Linke Organisationen fühlen sich zunehmend behindert und diskriminiert

  • Jan Dörner
  • Lesedauer: 2 Min.
Linke Gruppen in Brandenburg fühlen sich zunehmend von Polizei und Verfassungsschutz in ihrer Arbeit behindert und diskriminiert.
Die Verfolgung linker Gruppen hat in Brandenburg eine neue Qualität erreicht, so der Tenor der Initiativen, die gestern zur Pressekonferenz im Berliner Mehringhof eingeladen hatten. Verantwortlich dafür ist laut Rote Hilfe, der Kampagne gegen Zwangsdienste und Militär, dem Verein Opferperspektive, der Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei und den Jungdemokraten Jörg Schönbohm, Brandenburgs Innenminister. Der Rechtsausleger der CDU fiel in der Vergangenheit wiederholt durch rassistische Äußerungen und unmenschlich hartes Durchgreifen gegen Asylbewerber auf. Schönbohm war auch federführend bei der Erweiterung der Polizeikompetenzen in Brandenburg. Zum Kampf gegen Rechtsextremismus wurde eine »Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit« (MEGA) ins Leben gerufen. Diese aber, so die Veranstalter der Pressekonferenz, beschäftige sich mehr mit der Kontrolle und Observation linker Gruppen, als mit dem Kampf gegen Nazis. Die gestern geschilderten Einzelfälle machten ein Gesamtbild deutlich, das die Linie der Brandenburgischen Behörden aufzeigt: Gruppen, wie die Rote Hilfe, die seit Jahren offene, demokratische Politik von links machen, werden zunehmend in ihrer Arbeit behindert, eingeschüchtert und öffentlich diffamiert. Gegenüber der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« wurden von Sicherheitsbehörden Parallelen zur RAF angedeutet. »Durch solche Äußerungen wird mit Hilfe der Medien von Polizei und Verfassungsschutz bei den Bürgern ein Bild des gewaltbereiten Terroristen geschaffen«, sagte Lutz Boede von der Potsdamer Kampagne gegen Wehrpflicht. Auch das Gespenst eines drohenden linken Terrors diene zur Rechtfertigung und Aufrechterhaltung eines überdimensionalen Polizeiapparates. Die Liste registrierter unverhältnismäßiger Maßnahmen ist lang: Kay Wendel vom Verein Opferperspektive berichtete von Fällen, in denen die zu Hilfe gerufenen Polizei Opfer rassistischer Übergriffe wie Täter behandelte. Als die Fälle öffentlich gemacht wurden, kam es von Seiten der Polizei zu Anzeigen wegen Verleumdung. Vermehrt werden auch Aufenthalts- und Reiseverbote erteilt. So wurden von der Polizei im Mai diesen Jahres anlässlich des Castortransportes aus dem ehemaligen Kernkraftwerk Rheinsberg Aufenthaltsverbote mit folgender Begründung verschickt: »Sie sind als Tatverdächtiger mit Straftaten im Bereich Linksextremismus in Erscheinung getreten. Zu linksextremistisch besetzten Themenfeldern gehört auch die Atompolitik der Bundesregierung.« Irgendwann im Tatverdacht gestanden zu haben, reicht also schon aus, um sich nicht mehr frei bewegen zu dürfen. Der Verfasser eines eindeutig satirischen Plakats zur Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, dessen Text mit »Ihr Jörg Schönbohm« endete, bekam eine Strafanzeige wegen Amtsanmaßung. Die Schlussfolgerung auf der Pressekonferenz: Politische Meinungsäußerung und Kritik an der Polizei werden verfolgt, Aktive diffamiert und durch Anzeigen eingeschüchtert. Sicherheit soll den Bürgern wichtiger sein als Freiheit. Ist Brandenburg auf dem Weg zum Polizeistaat?
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