nd-aktuell.de / 13.01.2012 / Kultur / Seite 4

Ganz groß

Thomas Quasthoff / Der behinderte Star-Bariton beendet seine Karriere als Sänger

Martin Hatzius

Thomas Quasthoffs Erfolg als Bassbariton von Weltgeltung war ihm nicht in die Wiege gelegt. Außerordentliches musikalisches Talent und eine vielversprechende Stimme zählen wenig, wenn der Körper aus der Norm schlägt. Quasthoff, 1959 in Hildesheim geboren, kam mit erheblichen Einschränkungen zur Welt, verursacht durch Contergan.

Benachteiligung durch Betriebsblindheit: Die Musikhochschule Hannover lehnte eine Gesangsausbildung des Jungen seinerzeit mit der Begründung ab, dass seine kurzen Glieder ihm das Klavierspiel versagten. Lächerlich. Der kleine Mann wurde zu einem der Größten seiner Zunft. Aufmerksame Förderer, beharrliche Arbeit und eine unermüdliche Liebe zur Musik bahnten ihm den steilen, steinigen Weg. Ehe ihn der Gewinn des ARD-Musikpreises 1988 international bekannt machte, hatte Quasthoff doch noch Gesang und Musik studiert, aber auch sechs Semester lang Jura. Bevor er sich 1994 ganz der Kunst verschrieb, hatte er sich (parallel zu den Konzerten) in einer Sparkasse und als Radiomoderator verdingt.

Mitleid wollte Quasthoff, ein heiterer Mensch, nie haben. Er verdient es, als Sänger, nicht als Kuriosum anerkannt zu werden. Folglich gab er seiner Autobiografie den Titel: »Die Stimme«. Insbesondere auf dem Gebiet des Liedes erlangte er dank seines warmen Timbres und kluger Interpretation höchste Achtung und Zuneigung. Dirigenten wie Simon Rattle, Claudio Abbado und Daniel Barenboim liebten die Arbeit an Quasthoffs Seite, und nicht nur sie. Mit dem Trompeter Till Brönner etwa brachte der Sänger 2007 das Jazz-Album »Watch what happens« heraus - grandios originelle Eroberung eines Genres, das ihn seit Kindheitstagen fasziniert.

Nach seinem Rückzug von der Opernbühne 2006 und seinem Abschied von der Jazzbühne 2010 gab Quasthoff jetzt bekannt, als Sänger ganz aufzuhören. Seine Gesundheit hindere ihn, den hohen Ansprüchen gerecht zu werden, die er an sich und die Kunst stellt. Indessen: Er freue sich auf »neue Herausforderungen«. Das klingt wie ein Versprechen, der Musik erhalten zu bleiben - über seine Tätigkeiten als Nachwuchsförderer und Gesangsprofessor hinaus.