Kündigung ist vom Tisch

Erneut Angriffe auf LINKE-Büros in Sachsen-Anhalt

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer Nazidemo in Magdeburg sind am Wochenende wieder zwei LINKE-Büros angegriffen worden. Die vom Vermieter angedrohte Kündigung eines Büros ist derweil vom Tisch.

Die Attacken erfolgten binnen einer Stunde. Am Sonntag gegen vier Uhr waren die Scheiben eines Bürgerbüros der LINKEN in Bad Salzelmen das Ziel. Gullydeckel beschädigten das 16 Millimeter starke Sicherheitsglas schwer. »Das war massive Gewalt«, sagt die örtliche Landtagsabgeordnete Sabine Dirlich. Kurz nach fünf flogen Steine auf das Büro, das der Fraktionschef Wulf Gallert und die Rechtspolitikerin Eva von Angern im Magdeburger Süden betreiben.

Dieses Büro, das am Rand eines Wohngebietes im Parterre einer Seniorenwohnanlage liegt und erst vor wenigen Monaten eröffnet wurde, war bereits in der Neujahrsnacht vehement angegriffen worden, »mit mitgebrachten Betonplatten«, sagt Wulf Gallert. Für Schlagzeilen sorgte der Überfall, weil anschließend der Vermieter, die bundeseigene TLG Immobilien GmbH, mit Kündigung drohte. Die Rentner seien beunruhigt, hieß es; man wolle mit den Politikern über Ausweichquartiere reden.

Von dieser »immobilienwirtschaftlichen« Sicht sei der Vermieter inzwischen aber abgerückt, sagte Gallert gestern nach einem Gespräch: »Sie haben die politische Bedeutung erkannt.« Die bestehe in der prinzipiellen Frage, ob Vertreter eines Verfassungsorgans im öffentlichen Raum auftreten oder vertrieben werden können. »Es geht um den Versuch der politischen Einschüchterung«, sagt Gallert, der betont, für ihn und von Angern sei es »keine Option, dem Naziterror zu weichen«. Das habe die TLG erkannt. Gestern wurde zusammen mit der Polizei darüber geredet, wie das Büro besser gesichert werden kann, »ohne dass wir uns verbarrikadieren müssen«.

Dass es sich bei den Tätern um Nazis handelt, ist spätestens nach den Attacken vom Wochenende nicht mehr zu bestreiten. Danach wurden Aufkleber mit Hitler-Konterfeis und Reichskriegsflaggen gefunden. Die Überfälle fanden nur Stunden nach einer Nazidemonstration in Magdeburg statt, deren Anlass die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg war.

Die LINKE fordert jetzt eine deutliche Intensivierung der polizeilichen Ermittlungen. Bislang, kritisiert Gallert, sei »die Aufklärungsquote gleich null«. Solange jedoch die Täter sicher sein könnten, dass sie nicht ergriffen werden, sei die Hemmschwelle für derartige Aktionen niedrig. Die schiere Zahl der Angriffe auf Bürgerbüros belegt das. Allein seit Beginn der Wahlperiode im Frühjahr 2011 gab es in Sachsen-Anhalt 13 Attacken, davon drei auf CDU-Einrichtungen und zehn auf LINKE-Büros. Fünfmal wurde das Domizil von Gallert und von Angern zur Zielscheibe, daneben traf es Büros etwa in Merseburg und Bernburg. Bundesweit wurden von Januar 2010 bis Mitte 2011 insgesamt 116 Übergriffe auf LINKE-Büros verzeichnet. »Da sind viele Angriffe auf mein Büro noch nicht mitgezählt«, sagt Dirlich.

Dass es vor allem die LINKE so häufig trifft, hat nach Ansicht Gallerts zwei Gründe. Zum einen trete die Partei konsequent gegen Nazis auf. Zudem spekulierten die Täter womöglich darauf, dass die öffentliche Empörung geringer sei als etwa bei CDU-Büros. »Die Täter setzen auf eine Entsolidarisierung«, sagt Gallert. In Sachsen-Anhalt geht das Kalkül nicht auf: Im Landtag befasst sich bereits der Ältestenrat mit dem Thema.

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