Reeder macht Kapitän verantwortlich

Mindestens elf Deutsche unter den Vermissten des Schiffsunglücks in Italien

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Nach dem Unglück des Kreuzfahrtschiffs »Costa Concordia« mit mindestens sechs Toten hat die Reederei dem Kapitän eine »unerklärliche Fehlentscheidung« vorgeworfen. Er habe auf eigene Faust ein nicht genehmigtes Manöver vollführt, erklärte die Reederei am Montag.

Er distanziere sich vom Handeln seines Kapitäns Francesco Schettino, sagte der Chef der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere, Pier Luigi Foschi, am Montag bei einer Pressekonferenz in Genua. Schettino habe seinen Kurs aus eigenem Willen und entgegen den schriftlich fixierten Regeln der Kreuzfahrtgesellschaft gewählt. Dabei handele es sich um ein von Costa weder gebilligtes noch vorgesehenes Manöver.

Laut »Corriere della Sera« vom Montag ließ der Kapitän kurz vor dem Unglück einen von der Insel Giglio stammenden Oberkellner auf die Kommandobrücke rufen. »Antonello, schau mal, wir sind ganz nahe an deinem Giglio«, habe er zu ihm gesagt, zitierte das Blatt Zeugen. Der Kellner habe gewarnt: »Vorsicht, wir sind extrem nahe am Ufer.« Unmittelbar danach sei das Schiff auf Felsen aufgelaufen. Laut der Zeitung vollführte die »Costa Concordia« ein Manöver, bei dem das Schiff mit voller Beleuchtung und Schiffsirenen die Küstenbewohner grüßt.

Am Sonntag hatte die Staatsanwaltschaft massive Vorwürfe erhoben. Der Kapitän habe den Luxusliner »extrem ungeschickt« zu nahe an die Insel herangeführt. Zudem habe er das Schiff lange vor Ende der Evakuierungsaktion verlassen. Reedereichef Foschi betonte, ihm lägen »zuverlässige interne Zeugenaussagen« vor, wonach der Kapitän »sehr lange« an Bord geblieben sei.

Im Wrack des havarierten Luxusliners wurde unterdessen ein sechstes Todesopfer gefunden. Die ganze Nacht hindurch suchten Helfer weiter nach noch mindestens 16 Vermissten, darunter elf Deutsche.

Die Suche nach weiteren Überlebenden und Opfern musste am Montag wegen schlechten Wetters für mehrere Stunden unterbrochen werden. Der Chef der Küstenwache-Taucher, Rodolfo Raiteri, betonte, eine Analyse sollte klären, ob das Schiff vollständig zu sinken droht.

Ein am Sonntagmorgen nach 30 Stunden aus dem havarierten Schiff gerettetes südkoreanisches Paar berichtete von dem Albtraum, den es statt der erhofften Traumflitterwochen an Bord der »Costa Concordia« erlebte. Han Ki Deok und seine Frau Jeong Hye Jin sagten, sie hätten sich nach dem Essen Schlafen gelegt und zunächst nichts von dem Unglück mitbekommen. »Als wir aufwachten, kippte das Schiff«, schilderte Han. Als sie auf den Gang gegangen seien, sei das Schiff bereits so stark geneigt gewesen, dass sie sich nicht vorwärtsbewegen konnten. Sie seien deshalb in ihre dunkle Kabine zurückgekehrt und hätten dort ausgeharrt. Sie hätten geschrieen, bis sie heiser waren.

Italiens Umweltminister Corrado Clini warnte vor einer Naturkatastrophe. Die riesigen Tanks seien mit 2400 Tonnen schwerem Dieselkraftstoff gefüllt, sagte er. Sollte Öl ins Meer fließen, sei die einzigartige Küstenlandschaft der Toskana mit ihren Meerestieren und Vögeln gefährdet. AFP

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