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Die Guten, die Bösen

Daniel Silva: »Der Oligarch«, ein Thriller

  • Uwe Stolzmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Exekution unter Birken: Schneewehen in russischer Weite, ein Mann, kniend, der weiß, dass er jetzt sterben wird, »und dafür war er dankbar«; endlich der Schuss, dann Stille über einem namenlosen Grab. So beginnt »Der Oligarch« von Daniel Silva, ein Hollywood-Reißer auf Papier.

Daniel Silva, geboren 1960 in Michigan, war Journalist bei CNN, Korrespondent in Nahost, berichtete vom ersten Golfkrieg. Seit 1996 schreibt er Agententhriller. In kurzer Zeit erschienen vierzehn Bücher, alle standen auf der Bestsellerliste der New York Times, die letzten drei Titel auf Platz eins. Silvas Themen sind die Traumata nach Weltkrieg und Holocaust sowie der Terror von heute, der Fundamentalismus. Die meisten Romane haben dieselbe Hauptfigur: Gabriel Allon aus Jerusalem, Sohn einer Berliner Jüdin, die das Todeslager knapp überlebte.

Allon (graumelierte Schläfen, grüne Augen) ist Kunstrestaurator mit Vorliebe für Italiens alte Meister - und Agent des Mossad, der beste der Zunft, ein Terminator mit Charme und Verstand. Als »Israels Racheengel« jagte er alte Nazis und die Attentäter von »München 1972«, er rettete dem Papst das Leben. Zudem ist er ein romantischer Typ. Er will in Umbriens Hügeln malen, und er will ein Kind. Im vorigen Buch fuhr er nach Russland, um Iwan Charkow das Handwerk zu legen, einem Waffenhändler mit Draht zu al-Qaida und zum alten KGB. Mission erfüllt: Mit einem Gefolgsmann des Oligarchen sowie mit Charkows Frau und Kindern flieht Allon außer Landes.

An dieser Stelle beginnt »Der Oligarch«, nach einem Motto von Machiavelli: »Muss einem Mann eine Verletzung zugefügt werden, sollte sie so schwer sein, dass seine Rache nicht zu fürchten ist.« Der geflohene Gefolgsmann, als Überläufer im Westen nun ein Szenestar, wird von Charkows Leuten aus London verschleppt, sie entführen auch Allons Frau. Unser Agent will die beiden befreien, so reist er mit einem Team erneut nach Russland; dort wird er gefangen und gequält, dann steht er gefesselt vor einem namenlosen Grab, unter Birken, in einem Gräberfeld aus der Zeit des Großen Terrors. Rettung naht in letzter Sekunde. Auf den letzten dreißig Seiten des Romans wird in Mossad-Manier aufgeräumt: Allon & Co. jagen Charkow und dessen Komplizen quer durch Europa, töten sie, einen nach dem anderen.

Der Plot ist typisch für das Genre, genretypisch sind auch die Merkwürdigkeiten des Buchs: die märchengleiche Trennung zwischen Gut und Böse; der Mangel an Moral (die Guten dürfen morden); die Inszenierung von Gewalt zum Ergötzen des Konsumenten; die geringe Tiefenschärfe der Charaktere. Das größte Klischee aber ist die Hauptfigur, der Killer als Künstler, als tragischer Held, dieser Wundertäter. Noch jeder Krimiheld lebt vom Klischee, selbst Philip Marlowe, James Bond sowieso, aber anders als Bond - und das nervt - ist Gabriel Allon eine Figur ohne Ironie, spielt nicht den Erlöser, er will es wirklich sein.

Andere Eigenheiten versöhnen den Leser, etwa die bildhafte Darstellung von zwanzig Orten dieser Welt und die Verweise auf reales Geschehen (Anschläge in London; Morde an Moskauer Journalisten; die Stalin-Verehrung vieler Russen). Für Kurzweil sorgen Silvas Präzision, sein Gespür für Timing, Spannung, die Steigerung des Tempos. Vor allem - eine Seltenheit in der Gattung - wird dieser Thriller gut erzählt. In den besten Passagen, und es gibt einige davon, ist »Der Oligarch« einfach gute Literatur. Nach dem vierten oder sechsten »Daniel Silva« kämpft der Leser vermutlich mit Übersättigung; ein Silva allein ist Genuss.

Daniel Silva: Der Oligarch. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner. Pendo Verlag. 416 S., geb., 19,95 €.

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