Feindliste der Nazis wieder da

Vorübergehende Löschung im Internet wohl nur, um Betreiber der Seite zu verbergen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Abschaltung währte nur wenige Tage. Am Wochenende haben Neonazis die umstrittene rechte Website »Chronik Berlin« mit den »Feinden des nationalen Widerstandes« erneut ins Netz gestellt. Die Seite hatte Politiker, Journalisten, Anwälte und zivilgesellschaftliche Projekte, die sich gegen Rechts engagieren, mit Namen und zum Teil mit Anschrift und Foto abgebildet. 13 Betroffene wurden seitdem Opfer von Straftaten aus dem rechten Milieu, weitere zehn Opfer unbekannter Täter.

Am Mittwoch war die Seite Gegenstand im Verfassungsschutzausschuss (»nd« berichtete). Einen Tag später waren die Inhalte vollständig gelöscht. Wer die Seite aufrief, fand nur die Maske eines Bloganbieters. War die Seite gehackt? Dafür spricht nichts, sagt Pavel Mayer, der für die Piraten im Verfassungsschutzausschuss sitzt. »Es ist nicht bekannt, dass jemand mit dem Hacken dieser Seite geprahlt hätte. Und es wäre auch unüblich, dass Hacker keine Hinweise hinterlassen.«

Für wahrscheinlicher hält Mayer, der aus der Softwarebranche kommt, »dass die Betreiber in Panik alles selbst gelöscht haben, weil eine Beschlagnahme befürchtet wurde und sie bemerkt haben, dass sie bei der Datenpflege der Seite unvorsichtig waren«. Mit dem kompletten Löschen ließen sich am besten Spuren wie Logdaten löschen, die auf den Betreiber hätten verweisen können. »Dafür könnte auch der zeitliche Zusammenhang mit dem erhöhten politischen und medialen Interesse und damit einhergehendem gestiegenen Verfolgungsdruck in den letzten Tagen hindeuten.« In Zukunft würden die Rechten wohl auf mehr Konspiration bei der Datenpflege achten, mutmaßt Mayer.

Die Abgeordnete Evrim Sommer (LINKE) ist selbst auf der Seite abgebildet. Seitdem wurde sie zweimal Opfer von Straftaten. Ihr Auto wurde in Brand gesetzt und sie wurde von Rechten bedroht, die dafür von einem Gericht bestraft wurden. Sommer fordert die Ermittler auf, mit mehr Nachdruck die Urheber dieser »Hassseite« zu finden. »Es ist doch ganz eindeutig, dass die Namen dort gewaltbereiten Nazis als Zielscheibe dienen. Hier dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht länger verharmlosen.«

Auch die Rechtsextremismusexpertin Clara Herrmann, die für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt, fordert von den Ermittlern mehr Anstrengungen, »die Macher der Website namhaft zu machen und vor ein Gericht zu stellen«. Clara Herrmann ist auf der Naziseite ebenfalls als »Gegnerin« abgebildet.

Viele Insider vermuten NPD-Landesvize Sebastian Schmidtke hinter der Website. Der hat jetzt auf rechten Portalen dementiert, der Urheber zu sein.

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