Freiburgs innere Logik

Mit alter Fußballschule und neuem Trainer gewinnt der SC das Abstiegsduell gegen Augsburg mit 1:0

Ein angehender Abiturient entscheidet das Abstiegsduell. In Freiburg nährt das die Zuversicht, dass man auch ohne Torjäger Papiss Demba Cissé die Klasse halten kann.

Als Schiedsrichter Florian Meyer die Partie beendete, brachen gehörige Dezibelzahlen über die Akteure hinein - Freiburg und der der bis dahin Tabellenletzte Augsburg hatten die Plätze getauscht. Während der neue SC-Coach Christian Streich (»ich wollte das Geschehen in Ruhe verarbeiten«) in gehörigem Tempo in die Kabine spurtete, ließen sich die Freiburger Spieler nach allen Regeln der Kunst feiern. Mittendrin: Der 18-jährige Matthias Ginter, der erst 20 Minuten zuvor eingewechselt worden war und kurz vor Abpfiff in seinem ersten Bundesligaspiel den siegbringenden 1:0-Treffer erzielte (88.) hatte.

Das sind die bunten Fäden, aus denen anderorten Jubelporträts gestrickt werden. Doch da ist in Freiburg nicht nur der Cheftrainer vor. Was es denn zu dem vor den Medien streng abgeschirmten Youngster zu sagen gebe, wurde Streich gefragt und antwortete mit dem Gluckeninstinkt eines Mannes, der beim SC seit 1995 als Nachwuchstrainer und Leiter der »Fußballschule« gearbeitet hat: »Matthias Ginter ist eingewechselt worden, hat ein Tor erzielt und macht in drei Monaten sein Abitur.« Man möge vor allem Letzteres bedenken und von Interviewanfragen absehen. Ob er denn befürchte, dass der Traumeinstand zum Problem für Ginter werden könnte? »Nicht, wenn die Leute anständig mit ihm umgehen.« Thema durch. Das fanden auch die 19 600 Zuschauer, die alle Spieler gleichberechtigt hochleben ließen, den (noch sehr fernen) Klassenerhalt besangen und mit rhythmischen Gesängen denjenigen feierten, den sie dafür noch mehr verantwortlich machten als den Torschützen: »Streich!«

Tatsächlich hatte sich der SC nach zerfahrener erster Halbzeit im zweiten Durchgang das erste Erfolgserlebnis des Jahres 2012 redlich verdient. Und das hatte nicht zuletzt mit der Leidenschaft zu tun, die das Team auch im Training wieder an den Tag legt. Allein die mangelhafte Chancenverwertung ohne den nach Newcastle verkauften Torjäger Papiss Demba Cissé passte nicht ins Bild.

Die schwachen Augsburger ließen aber den Freiburger Angriffsschwung über sich ergehen und hatten selbst im gesamten Spiel nicht eine echte Torgelegenheit. Dementsprechend ratlos war FCA-Stürmer Torsten Oehrl: »Freiburg hat sehr variabel gespielt, gut gedoppelt und uns nicht ins Spiel kommen lassen.«

Kurz darauf trat Keeper Oliver Baumann vor die Presse und lieferte weitere wertvolle Hinweise über jenen Christian Streich, der den Menschen nördlich von Offenburg genau so wenig bekannt sein dürfte wie das Gros des Kaders. Der 21-jährige Baumann gehört zu dem guten Dutzend Spielern im Kader, die der nunmehr über zehn Jahre alten eigenen »Fußballschule« entstammen.

Was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dass ihnen in der Jugend ein gewisser Christian Streich deutlich öfter über den Weg gelaufen ist als der eigene Vater. »Dass er ein wahnsinnig guter Mann ist, weiß doch jeder«, sagte Baumann. »Er hat einen Fußballsachverstand, den er uns jeden Tag neu vorlebt.« Und Cédric Makiadi ergänzte: »Wir haben mit spielerischen Mitteln die Partie dominiert.« Und ja, es habe schon seine innere Logik, dass ein angehender Abiturient zwei Tage nach seinem 18. Geburtstag den Siegtreffer erzielt habe. »Der Trainer achtet nicht aufs Alter, sondern darauf, ob ein Spieler gut ist oder nicht.«

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