Erst die Kuh?

»Auch Kühe, Väterchen«, verkündete stolz der Sowjet-Agitator, und die Bauern wandten sich ab mit Grauen. Hoffentlich wiederholt sich in dem Fall Geschichte. Wenn es dennoch gestern Abend (nach Redaktionsschluss dieser Seite) dazu gekommen sein sollte, dass die krankhafte Idee eines Münchner Provokations-»Künstlers« verwirklicht wurde, eine extra zuvor geschlachtete, enthäutete und ausgeweidete Kuh in 40 Metern Höhe aus einem Helikopter zu werfen, wäre ihm demonstratives Desinteresse der Berliner zu wünschen gewesen. Zu befürchten war: Gaffer ergötzen sich an dem an einer Kreatur ausgetobten Zynismus, der auf keine Kuhhaut geht. Die Empörung der Öffentlichkeit gehört zu seinem Konzept, behauptet der »Künstler« Flatz. In Wahrheit ist der Ekel, den er erregt, Teil seiner Selbstinszenierung, mit der er sein »Musik« genanntes Bassgedröhne seiner neuen Single vermarkten will. Nichts dagegen zu sagen, dass er sich selbst singend, nackt, kopfüber und blutrot beschmiert an einen Kranhaken hängt, dass tanzende Paare dazu Walzer tanzen und sich mit roter Farbe bekleckern lassen. In der Spaßgesellschaft dürfen Menschen so was tun oder lassen, Gesetze gegen künstliche Blutorgien gibt es nicht. Nur Vernunft, Moral, Ästhetik. Solange sich Publikum jede Widerwärtigkeit als »Kunst«, neudeutsch »Performance«, zumuten lässt, ist es die Zeit der Scharlatane. Wie der unbegrenzbare Kunstbegriff ist wehrloses »Flei...

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