Platte wird intelligent zurechtgestutzt

Terrassenhäuser in Hellersdorf geplant/Kompetenzzentrum für Sanierung eingerichtet

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) wird dieser Tage nicht müde, die Qualitäten von Plattenbauten zu betonen. Dank aufwändiger Sanierungsprogramme seien in den Großsiedlungen lebenswerte Viertel entstanden, die viel an Individualität gewonnen hätten. Die Wohnungen seien ein wesentliches Volksvermögen und müssten erhalten bleiben, erteilte er gestern anlässlich der Gründung eines »Kompetenzzentrums Platte« in Hellersdorf Abrissstrategien erneut eine Absage. Das Zentrum, das von der Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf (WoGeHe) im Informationspavillon »Baukasten« eingerichtet wird, soll mittel- und osteuropäischen Städten Know-how für die Sanierung ihrer Plattenbaugebiete vermitteln. Hellersdorf wurde mit Bedacht ausgewählt, ist doch die Siedlung auf dem besten Wege, ihr Plattenbau-Image abzulegen. Die WoGeHe hat fast alle ihrer derzeit noch 20000 Wohnungen (von einst 38000) zumindest teilsaniert. Mit dem Ergebnis, dass sich industrielles Bauen hier phantasievoller präsentiert, als man es sich vorstellen konnte. Jüngstes Projekt: der Umbau von zwei Elfgeschossern zu Terrassenhäusern in der Mittenwalder Straße. Geplant ist, die Gebäude abzustufen - vom elften bis zum vierten Stock. Aus 66 Wohnungen je Block werden 49, die Wohnfläche verringert sich von 4950 Quadratmeter auf 3830 und damit um 23 Prozent. Entstehen soll eine treppenartige Dachlandschaft mit begrünten Sonnenterassen oder Wintergärten. Die Wohnungen werden saniert und bekommen neue Grundrisse. »Das Interesse ist groß, wir haben schon jede Menge Bewerbungen«, sieht sich WoGeHe-Geschäftsführer Rudolf Kujath, der bereits unentwegt bunte Prospekte über das Pilotprojekt verteilt, mit dieser Modernisierungsstrategie auf dem richtigen Weg. Der Leerstand in beiden Häusern von fast 40 Prozent habe nichts mit der Platte an sich zu tun. »Wenn wir sie intelligent aufpolieren und mit attraktiven Grundrissen versehen, ist Hellersdorf mit seiner guten Infrastruktur, der sozialen Mischung und dem vielen Grün als Wohnort unschlagbar«, glaubt Kujath. Einen Abriss der Plattenbauten lehnt deshalb auch er ab. Wann mit der Realisierung des bisher einmaligen Rückbauprojekts begonnen werden kann, ist allerdings ungewiss. Das Problem ist die Finanzierung. Zwar ist das Abknabbern der Gebäude mit jeweils drei Millionen Mark nicht teurer als ein Abriss, doch ohne Fördermittel von der WoGeHe nicht zu bewerkstelligen. »Dass etwas wegkommt, ist in den Förderrichtlinien aber nicht vorgesehen«, so Kujath. Zudem lasten Altschulden und Kredite von insgesamt sechs Millionen Mark auf den Gebäuden. Die WoGeHe setzt auf die Unterstützung von Senat und Bund. Mit beiden stehe man in Verhandlungen, der Stadtentwicklungssenat habe das Projekt ohnehin von Anfang an unterstützt, so Kujath. Er hoffe auf einen Baubeginn im kommenden Frühjahr. Welche Mieten für die neuen Traumwohnungen mit Blick auf die märkische Landschaft dann fällig werden, wusste Kujath noch nicht zu sagen. Aber die Hellersdorfer würden sie sich leisten können. Die Finanzkraft sei da, meint er mit Blick auf die in der Berliner Spitzengruppe liegenden Haushaltseinkommen. Doch die Häuser würden nicht nur zurechtgestutzt, um ihre Vermietbarkeit zu verbessern, sondern auch, um das Viertel aufzuwerten. Denn während in Hellersdorf Fünf- und Sechsgeschosser dominieren, sind in dem Wohngebiet rings um die Alte Hellersdorfer Straße Hochhäuser konzentriert. Ein Grund, weshalb hier der Leerstand am höchsten ist. Durch den Rückbau soll der strenge Blockcharakter aufgehoben, die Silhouette »entriegelt« werden. Kujath: »Das kommt nicht nur den Mietern der Terrassenhäuser, sondern allen Anwohnern zugute.«
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