nd-aktuell.de / 28.01.2012 / Kultur / Seite 26

Programmierte Freunde

INTERNETtrend: Mensch oder Maschine?

Jürgen Amendt
http://twitter.com/der_oberlehrer nd-Screenshot: Susanne Dreistadt
http://twitter.com/der_oberlehrer nd-Screenshot: Susanne Dreistadt

Das Internet führt Menschen zusammen, die sonst kaum oder gar nicht in Kontakt kämen. Soweit die soziale Vision des worldwideweb. Oder der soziale Irrtum. Nicht nur, dass die Personen, die miteinander kommunizieren, sich oftmals gar nicht von Angesicht zu Angesicht je begegnet sind, die Freundschaften auf »Facebook« oder die Debatten via »Twitter« daher recht unpersönlich sind, manchmal verbergen sich hinter den sogenannten Accounts (Nutzerkonto oder -adresse) gar keine realen Menschen.

@Der_Oberlehrer im Kurznachrichtendienst »Twitter« ist eine solche »unechte« Person. @Der_Oberlehrer meldet sich immer dann zu Wort, wenn er in den maximal 140 Zeichen umfassenden Kurznachrichten der anderen User Rechtschreibfehler entdeckt hat. Mal freundlich, mal sarkastisch, immer aber belehrend, und das rund um die Uhr. Schließlich geht es ihm, so der Eindruck, um die Rettung der deutschen Orthografie vor den Verunstaltungen der Internet-Kommunikation.

Viele der Nutzer nehmen es amüsiert, andere verärgert zur Kenntnis, manche reagieren sogar aggressiv auf die Kommentare des »Oberlehrers«. Hinter dem Account verbirgt sich allerdings ein sogenannter Bot. »Bots« sind Computerprogramme, die auf bestimmte Schlüsselwörter in Kurznachrichten (Tweets) automatisch reagieren und Antworten generieren. @Der_Oberlehrer ist also nichts anderes als eine Maschine, die irgendwann von einem Menschen programmiert und in Gang gesetzt wurde.

Den Machern von »Twitter« gefallen solche »Bots« überhaupt nicht. Sie sehen darin unerwünschte Accounts, sogenannte Spams. Es gibt allerdings mittlerweile in der Netzgemeinde Versuche, die »Computermenschen« zu »Social Bots« weiterzuentwickeln. Diese sollen nicht reale Personen vortäuschen, sondern als Verbindungsglied zwischen einzelnen Nutzern dienen. Die Programme antworten auf bestimmte Nachrichten und teilen in dieser Antwort z.B. mit, dass ein anderer Nutzer eine ähnliche Nachricht mit ähnlichen Schlüsselbegriffen geschrieben hat. In einem Experiment, schreibt das Magazin »Technology Review«, haben Wissenschaftler herausgefunden, dass durch einen solchen »Social Bot« tatsächlich »Twitter«-Nutzer stärker miteinander verbunden werden. Ein Ergebnis übrigens, das auch die Marketingbranche aufhorchen lässt. Schließlich verspricht dies einen direkteren Zugang zum Nutzer, respektive potenziellen Verbraucher.