nd-aktuell.de / 01.02.2012 / Politik / Seite 6

Langer Weg nach Zwickau

Sachsens Ministerpräsident versprach: Der braune Dreck muss weg

René Heilig
Fast drei Monate sind vergangen, seit offenbar wurde, dass rechtsextremistische Terroristen fast 14 Jahre lang unbehelligt Morde und Überfälle begehen konnten. Die kriminalistische wie die politische Aufklärung geht nur schleppend voran.

Thüringens Landeschefin Christine Lieberknecht (CDU) brauchte knapp einen Monat, um bei einem Rockkonzert in Jena Gesicht gegen Rechtsextremismus zu zeigen. Ihr sächsischer Partei- und Amtskollege Stanislaw Tillich war »schon« zu Beginn dieser Woche in Zwickau. Die Stadt ist in aller Munde, seit Anfang November klar wurde, dass hier das aus Jena stammende Terrortrio des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) Quartier genommen hatte.

Bevor er im Alten Gasometer Feuerwehrleute, die den in der Terroristenwohnung gelegten Brand gelöscht hatten, auszeichnete, sprach er vor 200 geladenen Gästen. »Zwickau ist keine Keimzelle des Rechtsextremismus«, sagte der Freistaat-Premier, und betonte, man werde den Kampf aufnehmen. Sachsen müsse diesen braunen Dreck loswerden. Sogar die Forderung nach einem Verbot der NPD wurde gehört.

Es gibt wenig Grund zu glauben, dass den Worten Taten folgen. Tillichs Innenminister Markus Ulbig (CDU) sprach sich am selben Tag gegen einen Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages zu den Ereignissen um die »Zwickauer Zelle« aus. Dabei war er durchaus kreativ beim Begründen. Er gab zu bedenken, dass die NPD, die im Landtag vertreten ist, so sicherheitsrelevante Unterlagen erhalten und Zeugen befragen könne. Die Untersuchungsausschüsse in Thüringen und im Deutschen Bundestag sind nach Ansicht des Ministers dagegen weniger problematisch, da die NPD in diesen Parlamenten nicht vertreten ist.

Dr. André Hahn, Chef der sächsischen Linksfraktion, erwidert, eine »billigere Ausrede für die Aufrechterhaltung der Aufklärungs-Blockade« sei kaum denkbar. Die Beweiserhebung von Untersuchungsausschüssen geschehe vor allem durch öffentliche Zeugenvernehmungen, bei denen auch aus Akten zitiert wird. Insofern ist die Mitgliedschaft oder Nicht-Mitgliedschaft von NPD-Vertretern in einem solchen Gremium völlig irrelevant.

Es gäbe es schon einiges zu untersuchen in Sachsen. Zu klären wäre beispielsweise, warum Rechtsextremisten dort legal mehr als 150 Schusswaffen besitzen dürfen. Das hatte im November die Linksabgeordnete Kerstin Köditz durch eine Kleine Anfrage herausgefunden. Danach besitzen 38 Personen aus dem rechtsextremen Milieu 51 Pistolen und 105 sogenannte Landwaffen.

Eine ähnliche Anfrage hatte Ende November auch die Innenexpertin der Thüringer Linksfraktion, Martina Renner, gestellt. Diesmal hatte Thüringen eine »lange Leitung«. Diese Woche beschied sie, dass in den vergangenen zehn Jahren in drei Fällen Waffenbesitzkarten an Leute ausgegeben wurden, bei denen »eine Zugehörigkeit zur extrem rechten Szene festgestellt« worden ist.

Eingetragen wurden neun Lang- und sechs Kurzwaffen. Insgesamt seien in Thüringen vier Rechtsextremisten im Besitz »einer bzw. mehrerer Waffenbesitzkarten«. Einer besitzt als »Jäger und Sportschütze« 13 Lang- und vier Kurzwaffen sowie einen Wechsellauf. »Gegen den Betroffenen hat die zuständige Waffenbehörde ein Widerrufsverfahren zu den erteilten waffenrechtlichen Erlaubnissen eingeleitet.«

Drei Monate nach der Enttarnung der NSU-Terrorzelle wäre der Begriff Langmut untertrieben.