Zensusmuffel sind gezählt

  • Carsten Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Bürgerrechtler haben eine Bilanz des Zensus 2011 vorgelegt. Dabei sieht es für die Gegner der Volkszählung gar nicht so schlecht aus. Offenbar gibt es weit mehr Verweigerer als bis jetzt bekannt, teilte der Arbeitskreis (AK) Zensus, eine Bürgerinitiative unter dem Dach des AK Vorratsdatenspeicherung, mit. So hätten Anfang November 2011, also sechs Monate nach dem Stichtag der Volkszählung, nach Auskunft der Behörden noch rund 400 000 Haushaltsbefragte keine Antworten gegeben und beinahe vier Millionen Fragebögen der Gebäude- und Wohnungszählung seien noch nicht zurückgeschickt worden. »Es gibt also trotz allerlei anderslautender Bekundungen ein nicht zu unterschätzendes Verweigerungspotenzial der Bevölkerung gegenüber den per Gesetz verankerten Auskunftspflichten«, heißt es in einer Mitteilung des AK Zensus.

Die hohe Ausfallquote bei den Immobilienbesitzern erklärt das Statistische Bundesamt mit falsch verschickten Fragebögen. So seien 25,1 Millionen Fragebögen verschickt worden. Dabei gehe man nur von 17,5 Millionen Eigentümern von Wohnungen aus.

Nach Angaben des Datenschutzexperten Werner Hülsmann haben die Landesstatistikämter mittlerweile Zwangsgelddrohungen an die Volkszählungsmuffel verschickt. In einigen Bundesländern seien die Briefe bereits im November, in anderen in den letzten Tagen rausgegangen. Das angedrohte Zwangsgeld beträgt mit den anfallenden Gebühren 406 Euro. Es kann aber bei fortgesetzter Weigerung mehrmals verhängt werden. In Berlin sei bereits mit Ersatzzwangshaft gedroht worden. Hülsmann hält eine Vollstreckung allerdings für extrem unwahrscheinlich, weil sie nach juristischen Gesichtspunkten unverhältnismäßig sei. Wegen einer Panne könnten Zwangsgeldandrohungen in Hamburg und Schleswig-Holstein gänzlich haltlos sein. So sehen es Juristen aus den Reihen der Volkszählungsgegner. Demnach haben Boykotteure die amtliche Aufforderung bekommen, »den mit diesem Schreiben übermittelten Fragebogen« unbedingt zu beantworten. Doch der Fragebogen fehlte, wie Betroffene dem AK Zensus berichteten.

Pannen hat es nach Angaben der Datenschützer auch beim Ablauf der Befragung gegeben. So monierte die hessische Landesdatenschutzbehörde erhebliche Mängel bei der praktischen Umsetzung der Volkszählung. Amtsräume, die für die Durchführung der Zählung genutzt wurden, seien unbesetzt gewesen, während die Tür offen stand. Rechner seien widerrechtlich ans Internet angeschlossen, Software falsch installiert gewesen. Die sensiblen Personendaten hätten also leicht abhanden kommen können. »Unsere Bedenken wurden offenbar nicht ernst genommen«, kritisiert Michael Ebeling vom AK Zensus die Sicherheitsmängel.

Carsten Becker

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