nd-aktuell.de / 01.02.2012 / Kultur / Seite 14

»Weil ich nichts anderes kann«

Helmut Dietl über Zynismus, den Filmstoff Wulff und das Geschenk Berlin-Mitte

Im Film »Rossini oder die mörderische Frage wer mit wem schlief« hielt Helmut Dietl der Münchner Schickeria den Spiegel vor; die TV-Serie »Kir Royal« um den Klatschreporter Baby Schimmerlos wurde Legende. Dietl gilt seitdem als Meister der Satire und Komödie. Für »Zettl«, die lose Fortsetzung von »Kir Royal«, hat er sich Benjamin von Stuckrad-Barre als Koautoren gesucht. Sie lassen Schimmerlos sterben und erzählen die Geschichte des Chauffeurs Zettl, der ohne Fachkenntnis zum Chefredakteur eines Online-Magazins aufsteigt und es schafft, hinter die Kulissen der Berliner Republik zu blicken.

nd: Herr Dietl, ihrem Berliner Koproduzenten David Groenewold wird vorgeworfen, 400 Euro für das Upgrading eines Hotelaufenthalts von Christian Wulff bezahlt zu haben. Ist das noch erlaubt oder schon ein Versuch politischer Einflussnahme?
Dietl: David Groenewold stand seit Jahren vertraglich hinter diesem Projekt. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, denn ohne ihn hätte ich diese fünf Jahre nicht durchgestanden. Welche Beziehung er zu Christian Wulff hat, kann ich nicht beurteilen. In seine Geschäfte mische ich mich nicht ein. Vielleicht ist wie bei uns aus der gemeinsamen Arbeit eine Freundschaft geworden. Und wenn man in diesem Land keine Freunde mehr haben darf, um nicht den Verdacht zu erregen, man könne daraus Nutzen ziehen, dann wird es problematisch.

Also alles nur »Peanuts« die Wulff in den vergangenen Wochen vorgeworfen wurden?
Wulff ist sicher ein Versagen im Management der Erwiderung auf all diese Vorwürfe. Die
Sachen an sich sind lächerlich, kleinkariert, absurd. Es ist viel Heuchelei im Spiel, wenn zum Beispiel eine Journalistin erklärt, sie zahle bei der Übernachtung bei einer Freundin 150 Euro. Letztlich ist Wulff nur die Bande, die Kugel soll die Merkel treffen. Nun warten wir mal ab, wie es ausgeht, vielleicht gibt es bald einen guten Filmstoff.

Ähnliche Affären in Politik, Kultur und Sport wird es ja auch immer gegeben haben, nur blieben sie früher unerwähnt. Dieser ungeschriebene Pakt des Vertrauens scheint in der Berliner Republik aufgekündigt?
Anständiger war man früher bestimmt nicht, nur kamen viele Dinge nicht an die Oberfläche, weil die Kommunikationswege länger und die Konkurrenz der Medien nicht so groß war. Doch die »gute alte Zeit« existierte nie, im Rückblick verklärt sich da einiges.

Sagen Sie bitte etwas über Gründe, »Zettl« zu drehen?
Ich wollte einen Film über Veränderungen drehen, weil ich den Eindruck habe, dass sich seit der Jahrtausendwende und den Skandalen der New Economy das Verhältnis der Menschen untereinander verändert hat. Die beruflichen Bedingungen sind härter geworden und die privaten Bindungen flüchtiger. Die Qualität der Umgangsformen hat nachgelassen und Verträge nützen nichts, weil keiner sich daran hält. Wie könnte ich dies besser veranschaulichen als mit den eigenen Figuren, die dem Publikum vertraut sind.

Anfang 2009 war das Buch fertig und sollte auf den Konflikt zwischen dem jungdynamischen Aufsteiger Zettl und Baby Schimmerlos zugespitzt werden, dem bereits bekannten Boulevardjournalisten?
Das war der Ansatz, obwohl der Gegensatz zwischen dem alten Journalisten, für den Moral noch ein Begriff ist, und dem jungen Kollegen, der zu der Generation gehört, die bedenkenlos Doktorarbeiten abschreibt, natürlich ein bisschen didaktisch war und was von Brechtscher Belehrung hatte.

Aber dann kam Ihnen Ihr Hauptdarsteller Franz-Xaver Kroetz abhanden. Der warf ihnen Zynismus vor.
Kroetz wäre der Letzte, der mir Zynismus vorwerfen könnte. Auf diesem Gebiet waren wir immer ziemlich einer Meinung. Mir ist auch wirklich egal, ob man mir das vorwirft - viel zu oft wird in Deutschland ironische Distanz mit Zynismus gleichgesetzt. Richtig ist an der Vorgeschichte, dass Kroetz die vor mir geschriebene Rolle so nicht mehr spielen wollte, obwohl er über alle Drehbuchphasen hinweg über sie informiert war. Ich hatte den Eindruck, er wollte nicht den Alten spielen, der von diesen Jungen überholt wird. Er bot an, das Drehbuch in seinem Sinne umzuschreiben. Ich bat um 14 Tage Bedenkzeit und sagte ihm dann mit großem Bedauern ab.

Wobei man den Eindruck haben kann, dass Sie doch eine große Distanz zur Metropole Berlin haben, mit der Sie wohl nie wichtig warm geworden sind?
Billy Wilder, mit dem ich in seinen letzten Lebensjahren befreundet war, würde erwidern: »Wenn Sie es warm haben wollen, kaufen Sie sich einen Ofen«! Ich empfinde Berlin, insbesondere diese Mitte der Mitte mit dem Regierungsviertel, als sehr reizvoll. Für einen Satiriker ist dieser Ort ein Geschenk. Nirgendwo kann man so viele seltsame Figuren auf einen Haufen treffen. Ich weiß schon, mit wem ich da warm geworden bin. Bestimmt nicht mit den Figuren, die ich im Film beschreibe. Aber ich verstehe sie gut. Politik und Medien sind ein mörderisches Geschäft. Jeden Tag ist da Krieg.

Eine Auseinandersetzung, in der es immer mehr auf Showeffekte ankommt?
Das stört mich nicht. Mich stört nur die Art, wie es ausgeführt wird. Linkisch! Nicht so souverän und selbstverständlich wie in den USA, in Frankreich oder Italien. Man hat bei uns oft das Gefühl, dass diese Typen nur vorgefertigten Glamour präsentieren und den dann mit zusammengekniffenen Arschbacken absolvieren.

Wir können zu selten über uns lachen?
In Deutschland funktionieren im Moment im Kino sogenannte Komödien mit Titeln in Babysprache: »Keinohrhasen«, »Kokowääh«, Rubbeldiekatz«. Das sind keine Komödien, das sind Lustspiele, und wo die vorherrschen, hat die Komödie keinen Platz.

Woher nehmen Sie die Konsequenz, immer wieder gegen den Strom zu schwimmen?
Ich schwimme nicht, ich schreibe und inszeniere Komödien - weil ich nichts anderes kann.

Interview: Katharina Dockhorn