Spanien klemmt erneuerbare Energien ab

Moratorium sieht vor, dass künftig keine Einspeisevergütung mehr für neuen Ökostrom bezahlt wird

  • Ralf Streck, Madrid
  • Lesedauer: 3 Min.
Die spanischen Branchenverbände sind im Aufruhr, nachdem die neue Regierung unvorhergesehen ein Moratorium beschlossen hat. Die Konservativen beschlossen am Freitag, dass neue Anlagen keine Einspeisevergütung für eingespeisten Ökostrom erhalten.

Das entsprechende »Königliche Dekret 1/2012« wurde schon am Samstag veröffentlicht. In der Luft hängen nun auch Anlagen, die sich noch im Bau befinden. »Die beschlossene Maßnahme legt den Sektor der regenerativen Energiequellen in unserem Land lahm und zerstört ein aufstrebendes Unternehmensnetzwerk«, protestierte die Vereinigung der Produzenten Erneuerbarer Energien (APPA).

Fast 40 Verbände haben deshalb am Dienstag in Madrid gegen die dramatischen Folgen protestiert, die das Moratorium für den Sektor haben könnte. Neben Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace haben sich auch die größte Gewerkschaft und die Vereinigung der Installateure auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen das Moratorium ausgesprochen.

Bereits 20 000 Arbeitsplätze zerstört

Sie bezeichneten es als »historischen Fehlgriff«. Getroffen werde einer der »wenigen Sektoren der heimischen Wirtschaft, wo Spanien weltweit eine Führungsposition einnimmt«.

Das Bündnis weist zudem darauf hin, dass in dem Sektor schon in den vergangenen Jahren 20 000 Arbeitsplätze zerstört worden sind. Dabei war vorgesehen, in diesem Bereich 300 000 neue Stellen zu schaffen. Die Folge könnte eine weitere »Standortverlagerung und ein Technologietransfer in Drittländer sein, die wir niemals wieder aufholen können«. Die Gegner des Moratoriums sehen vielmehr die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Reform des Stromsektors, bei der »von null« begonnen werden müsse. Sie betonen, dass man sich weiter von den Klimazielen entferne. Spanien gehört zu den Ländern, die besonders stark gegen die Kyoto-Klimaschutzziele verstoßen haben.

Fraglich wird, ob das Land die EU-Richtlinie erfüllen kann, wonach der Anteil der erneuerbaren Energien 2020 auf 20 Prozent steigen soll. Die APPA rechnet vor, dass Spanien schon 2010 hinter seinen Zielen zurückgeblieben sei, weil der Ausbau krisenbedingt zurückgefahren wurde. Statt wie geplant 12,1 Prozent sei der Anteil der erneuerbaren Energien nur auf 11,3 Prozent gestiegen. »Das Moratorium schafft ernsthafte Zweifel, ob der politische Wille besteht, die Verpflichtungen gegenüber Brüssel bis 2020 zu erfüllen.«

Hintertür für Ausnahmegenehmigungen

Die Regierung hat sich in ihrem Dekret bisher in keiner Form festgelegt. Zwar solle die Maßnahme nur vorübergehend gelten, doch wird vom Ministerium für Industrie, Tourismus und Handel (MITyC) kein Zeitrahmen genannt, um die geplante Neustrukturierung des Strommarktes umzusetzen. Das kritisiert auch der konservative Regierungschef der Extremadura. Auch José Antonio Monago stellte sich am Dienstag »an die Seite der Branche« und forderte seine Parteifreunde der Volkspartei (PP) in Madrid auf, schnell »Gewissheit« zu schaffen. Da die »Vorauszuteilung für 2012 und die folgenden Jahre« für Photovoltaikprojekte ausgesetzt wurde, wird mit einem längerfristigen Moratorium gerechnet.

Es gilt nicht nur für die hoch subventionierte Photovoltaik, sondern für alle erneuerbaren Energien. Zukunftsträchtige solarthermische Kraftwerke sind genauso betroffen wie Windenergie, Wellenkraft, Biogas und Geothermie. Kritisiert wird aber auch, dass Hintertürchen für Ausnahmegenehmigungen vorgesehen seien. Denn geplant ist auch, dass die Regierung für »bestimmte Anlagen« eine besondere Vergütung festlegen könne, »auch wenn die Anlage eine installierte Leistung von mehr als 50 Megawatt hat«, heißt es in dem Dekret.

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