Handelspartner und Konkurrent

Beim Besuch der Kanzlerin in China stehen wirtschaftspolitische Fragen im Mittelpunkt

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel reist mal wieder nach China. Die Führung in Peking ist vor allem an besseren Wirtschaftsbeziehungen interessiert.

Bereits zum fünften Mal in ihrer Amtszeit besucht die Bundeskanzlerin am Donnerstag und Freitag China. Dieser Aufenthalt ist von besonderer Bedeutung für die bilateralen Beziehungen als auch für die der EU insgesamt zu China. Kurz nach dem EU-Sondergipfel wird in den Unterredungen mit Präsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao die Staatsschulden- und die Eurokrise mit im Mittelpunkt stehen. In einer Rede an der Akademie für Sozialwissenschaften in Peking wird Angela Merkel vor einer breiteren Expertenrunde zu Finanz- und Währungsfragen Position beziehen.

Das Interesse an klaren Worten ist groß. Immerhin ist China nach Frankreich und den Niederlanden der drittwichtigste Exportmarkt für Deutschland (2010: 53,5 Milliarden Euro), während umgekehrt Deutschland der mit Abstand wichtigste europäische Wirtschaftspartner Chinas (Importe: 63,41 Milliarden) ist. Bis 2015 soll sich das jährliche Handelsvolumen auf über 170 Milliarden Euro erhöhen. Deutsche Investitionen fließen vor allem in die chemische Industrie, in den Automobil-, Maschinen- und Anlagenbau. Beim Besuch Merkels geht es um die weitere Konkretisierung bestehender Abkommen in Bereichen wie Elektromobilität, Normung, Bauwesen und Biowissenschaft sowie um die Förderung gegenseitiger Investitionen. Für die stärkere Zusammenarbeit ihrer Mittelständler mit deutschen Unternehmen will die chinesische Seite ein Kreditprogramm in Höhe von zwei Milliarden Euro auflegen. Als Kernfrage wird aber bleiben, den beklagten Investitionsprotektionismus in China schrittweise abzubauen. Trotzdem haben sich hier inzwischen über 7000 deutsche Unternehmen niedergelassen, in Deutschland hingegen gibt es derzeit nur rund 800 chinesische Firmen (ohne Restaurants und Reisebüros).

Da China als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gegenwärtig auf Devisenreserven von 3,18 Billionen US-Dollar sitzt, stellt sich tatsächlich die Frage: Wohin mit dem Geld? Vor allem geht es dem Reich der Mitte um den Zugang zu Rohstoffen, Technologie und Marken. Allerdings sind Beteiligungen oder Firmenübernahmen nach wie vor ein schwieriges Terrain. Denn die kulturellen Unterschiede spiegeln sich auch in unterschiedlichen Geschäftsauffassungen und -praktiken wider. Auf der Hannover Messe 2012 wird China Partnerstaat sein - ein weiterer Schritt zur wirtschaftlichen und kulturellen Annäherung beider Länder.

Am Freitag wird die Kanzlerin von Ministerpräsident Wen Jiabao zu einem Wirtschaftsforum ins südchinesische Guangzhou begleitet. Dort wird sie auf Fragen eingehen müssen, wie die EU die Staatsschuldenkrise überwinden will, was der neue Fiskalpakt beinhaltet, wie Merkel zur Finanztransaktionssteuer steht, wie der Staatsbankrott Griechenlands vermieden werden kann. Auf keine große Gegenliebe wird ihr Konzept eines allzu rigiden Sparkonzepts für die hoch verschuldeten Euroländer stoßen. Denn die EU ist für China der wichtigste Absatz- und Bezugsmarkt weltweit. So geht es beim Besuch der Bundeskanzlerin vor allem darum, wirtschaftspolitisch gangbare Kompromissmöglichkeiten in der Zusammenarbeit mit einem Partner und Konkurrenten zumindest zu umreißen.

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