Hoffen auf »The Rocket«

Heute startet die Snookerelite beim German Masters in Berlin - Englands Star Ronnie O'Sullivan hat auch gemeldet

  • Michael Brehme, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Ronnie O'Sullivan ist erst 36 Jahre alt und hat doch schon gefühlte zwei Leben hinter sich. Herausragende Erfolge kennzeichnen seinen Werdegang ebenso wie Lebenskrisen. Drogenexzesse und Saufgelage gehören zu seiner Geschichte wie drei Snooker-Weltmeistertitel, die er gewann. O'Sullivans exzentrische Persönlichkeit ist so auffällig wie sein sportliches Talent - und das soll schon was heißen für jemanden, der als Allergrößter seines Sports gilt.

Erstmals seit Jahren wird der Mann der Extreme von heute an wieder bei einem großen Event in Deutschland starten. Beim wiederbelebten German Masters im Berliner Tempodrom, eines von nur sieben hochkarätigen Weltranglistenturnieren im Kalender, hat O'Sullivan gemeldet. Letztes Jahr hatte er das auch schon, ehe er sich kurzfristig aus dem Staub machte. Warum genau blieb offen, aber es passte zu den Mätzchen des unberechenbaren Engländers.

O'Sullivan, wegen seiner oft schnellen Spielweise »The Rocket« (die Rakete) genannt, prägt die eleganteste Variante des Billardsportes in der Außendarstellung - trotz seiner Eskapaden oder vielleicht gerade deswegen. Einst beschrieb man ihn als Rock'n'Roller des Snooker, dabei ist O'Sullivan viel mehr: Ein Lebenskünstler voller Krisen, die früh begannen. Die Mutter kam in den Knast, der Vater, der im zwielichtigen Londoner Stadtteil East End Pornoläden betrieb, saß auch - 18 Jahre lang wegen Mordes, weil er im Streit in einem Nachtklub einen Mann niedergestochen hatte.

Damals war Ronnie O'Sullivan 17, mit 21 spielte er das schnellste »perfekte Break« aller Zeiten, mit 25 wurde er erstmals Weltmeister. Doch der Höhepunkt war zugleich ein Tiefpunkt. Nach Jahren, in denen Alkohol und Drogen zum Alltag gehörten, fiel er in eine tiefe Depression. »Man kann vereinsamen beim Snooker«, sagte er einmal. O'Sullivan kehrte mit den WM-Titeln 2004 und 2008 zurück - begleitet aber von regelmäßigen Depressionen und Angstattacken. »Immer, wenn ich glaube, ich hätte meine Dämonen besiegt, erhalte ich wieder einen Dämpfer«, sagte er einst dem »Spiegel«. » Wenn ich trainiere, dann bis ich Blasen am Finger habe, wenn ich trinke, dann die Nacht durch.«

In Berlin dürfen die besten 16 der Welt ohne Qualifikation starten. Dass O'Sullivan noch zu diesem Kreis gehört, ist nicht selbstverständlich. Weil er inzwischen immer mehr Turniere auslässt, ist er im Ranking auf eben jenen Platz 16 abgerutscht. Ob er in der Hauptstadt wirklich auftritt? Das wisse man bei O'Sullivan erst, wenn er das Tempodrom betrete, munkelten die Veranstalter. Bisher hat er noch nicht abgesagt.

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