Wie viel Geld für wie viel Arbeit?

Initiative versucht die Verkürzungsdebatte wieder auf die Agenda zu bringen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist lange her, dass sich die Gewerkschaften in ihrer Tarifpolitik von der Arbeitszeitverkürzung verabschiedeten. Doch nun könnte diese gewerkschaftliche Kernidee eine Renaissance erleben.

»Arbeitszeitverkürzung jetzt!« lau- tet der Titel einer Initiative, die aus der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und der Attac-AG »FairTeilen« hervorging. Die aus Wirtschaftswissenschaftlern, Gewerkschaftern sowie verschiedenen Basisinitiativen und sozialen Bewegungen zusammengesetzte Initiative fordert mit ihrem Vorstoß jetzt eine breite gesellschaftliche Debatte um die 30-Stunden-Woche ein. Ihr Ziel ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Dazu liefern sie ein »Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit«, in dem das künftige Arbeitsmodell und auch die Art und Weise, wie es finanziert werden soll, erklärt sind.

Die Initiative kommt zur richtigen Zeit. Mit der IG Metall und ver.di haben die beiden größten Einzelgewerkschaften im Herbst 2011 wichtige Beschlüsse zur Wiederaufnahme der Debatte um die Arbeitszeitverkürzung verabschiedet. Doch bis sich das in konkretes Tarifhandeln durchsetzt, kann es noch dauern. Zu tief dürfte bei der IG Metall noch der Schock über den verlorenen Streik für die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland sitzen. Ob die Gründe nun eher in der mangelnden Schlagkraft der ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen oder im Nicht-Mitziehen der großen Westdeutschen Betriebsräte lagen - das Ergebnis ist das gleiche. Die Arbeitszeitverkürzung ist derzeit in der Metallgewerkschaft kein Thema, das sich auch tarifpolitisch niederschlagen wird, sagt eine Sprecherin. Wenn es tarifpolitisch um Arbeitszeit gehe, dann eher um deren konkrete Ausgestaltung und die Vermeidung von weiterer Verdichtung.

In der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sieht es ähnlich aus - bloß schlimmer. »Wir haben eher damit zu tun, den jetzigen Stand zu verteidigen und überhaupt Tarifbindung herzustellen«, heißt es auf nd-Anfrage. Zwar hat die NGG auf ihrem Gewerkschaftstag 2008 auch einen Antrag verabschiedet, der die gewerkschaftliche Kernidee Arbeitszeitverkürzung fördert, mit der Realität hinterm Kneipentresen hat das jedoch oft nichts zu tun.

Nachdem die Wochenarbeitszeit seit 1945 von 48 auf 40 Stunden bei fünf statt sechs Arbeitstagen gedrückt war, ging es ab dem Jahr 1975 - die Arbeitslosigkeit in der alten Bundesrepublik war über eine Million gestiegen - nicht mehr weiter. Der Kampf um die 35-Stunden-Woche konnte 1995 nur noch in der westdeutschen Metallindustrie und im Druck sowie der holz- und papierverarbeitenden Industrie gewonnen werden. Im öffentlichen Dienst kam man über die 38,5 Stunden nicht mehr hinaus. Heute wird in vielen Bereichen 40 Stunden in der Woche gearbeitet, oft sind es noch mehr. Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung von 2007 lag die Durchschnittsarbeitszeit bei 41,8 Wochenstunden. »Nirgendwo ist die Wende zu längeren Arbeitszeiten so kräftig ausgeprägt wie in Deutschland«, schrieb damals Arbeitszeitforscher Hartmut Seifert.

Mit ihrer am Montag vorgestellten Forderung nach der 30-Stunden-Woche wollen die Attac-Aktiven das Thema Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Agenda zerren. Es wäre an der Zeit, aber leicht wird es nicht.

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