nd-aktuell.de / 03.02.2012 / Politik / Seite 1

Tödliches Spiel

Blutige Krawalle in ägyptischem Fußballstadion

Nach dem Fußballspiel der Klubs Al-Masry und Al-Ahly in der Stadt Port Said kam es zu den blutigsten Krawallen in der ägyptischen Fußballgeschichte mit – laut dpa – mindestens 71 Toten und 1000 Verletzten, vor allem Al-Ahly-Anhänger. Jetzt fragt man in Ägypten: War das einfach »nur« Fußball-Hooliganismus in seiner brutalsten Ausprägung oder auch dessen Instrumentalisierung für politische Zwecke?

Die Frage war am Tag nach der Katas᠆trophe noch nicht schlüssig zu beantworten. Zahlreiche Merkwürdigkeiten lassen allerdings die Deutung zu, dass das, was sich am Mittwoch in der Hafenstadt Port Said am Nordausgang des Suezkanals zugetragen, nichts zu tun hat mit auch hierzulande nicht unbekannten kriminellen Auswüchsen am Rande der Fußballszenerie. Vor allem gehen Vorwürfe an die sogenannten Sicherheitskräfte. Sie sollen laut Augenzeugen, die ihre Berichte Mittwochnacht ins Internet stellten, die Eskalation der Gewalt durch demonstratives Nichteinschreiten begünstigt haben. Die schlimmsten Totschläger hätten daher nach der Schlacht untertauchen können. Zwar gibt es traditionell heftige Rivalitäten zwischen den ägyptischen Großklubs, besonders gegenüber Al-Ahly. Dieser - der »Nationale« - ist zwar vom Vermögen her das Bayern München Ägyptens, pflegt aber dennoch einen Ruf als Anziehungspunkt der Unterprivilegierten und hat unter ihnen nachgewiesenermaßen mehr Fans als die Rivalen. Im katarischen Fernsehsender Al Dschasira wird ein Al-Ahly-Anhänger mit den Worten wiedergegeben: »Wir waren der erste rein ägyptische Klub während der englischen Kolonialzeit, sind aber unpolitisch und haben sowohl Kommunisten als auch Liberale, Anarchisten oder Islamisten in unseren Reihen. Nur Mubarak-Sympathisanten wird man bei uns nicht finden.«

So behaupten die Al-Ahly-Fans auch von sich, sie seien nicht unwesentlich Träger der Revolte gegen Husni Mubarak gewesen und hätten den Präsidenten mit ihrer Dauerpräsenz auf dem Kairoer Tahrir-Platz vor einem Jahr zum Rücktritt gezwungen. Vielleicht ist dies ein Hinweis darauf, warum gerade Al-Ahly Opfer des Gewaltausbruchs geworden ist. Denn der war unprovoziert. Weder der Verlauf des Spiels noch das Ergebnis - Al-Masry (»der Ägypter«) gewann 3:1 - gaben Anlass zu Unmutsäußerungen.

So vermuten denn auch nicht wenige Ägypter - nimmt man Meinungsveröffentlichungen auf Internet-Plattformen zum Maßstab - dass es sich hier um eine ähnlich gezielte Intrige handelte. Man tippt auf bezahlte Schlägerbanden aus dem Umfeld des gestürzten Präsidenten und verweist auf die plötzlich eskalierenden schweren Straßenschlachten mit der christlichen Minderheit der Kopten im Herbst. Auch die Parteien der Muslimbruderschaft, die zusammen mehr als zwei Drittel des neuen ägyptischen Parlaments repräsentieren, beschuldigten gestern in einer Erklärung »politische Kräfte, die in enger Verbindung zum früheren Regime von Mubarak stünden«, für die Verbrechen im Stadion verantwortlich zu sein.

Der frühere, auch in Deutschland aktive Nationalspieler Hani Ramzi erklärte der »Süddeutschen Zeitung«: »Die Fans sind hier nicht verantwortlich. Das war alles geplant und wäre in jedem Fall passiert, ganz unabhängig vom Spielverlauf. Innerhalb von zwei Minuten waren Tausende Fans mit Messern bewaffnet auf dem Platz. Sie wurden vor dem Spiel nicht kontrolliert, und die Polizei hat nicht eingegriffen. Die Gewalt ist Politik, hundertprozentig ...«