Die verbrecherische Admiralität

Vor 95 Jahren begann Deutschland den uneingeschränkten U-Boot-Krieg

  • Horst Diere
  • Lesedauer: 4 Min.
Die verbrecherische Admiralität

Als der Erste Weltkrieg begann, stand die Entwicklung der Unterseeboote erst in den Anfängen. U-Boote waren ursprünglich nicht für den Handelskrieg, sondern als Waffen gegen Kriegsschiffe gedacht. Das änderte sich, als bei Kriegsbeginn, entgegen der von den Admirälen der Kaiserlichen Marine erwarteten engen britischen Blockade der Deutschen Bucht, die englischen Blockadekräften an den fernen Ausgängen der Nordsee aufmarschierten und die britische Admiralität am 2. November 1914 völkerrechtswidrig die gesamte Nordsee zum Kriegsgebiet erklärte.

Weil diese britische Fernblockade wirkungsvoll die Zufuhren über See nach Deutschland unterband und sie sich außerhalb des Aktionsradius der schweren deutschen Überwasserstreitkräfte vollzog, gab die deutsche Regierung im Februar 1915 den von der Marineführung geforderten Einsatz von U-Booten gegen die alliierte Handelsschifffahrt frei. Völkerrechtswidrig wie schon zuvor die britischen Blockademaßnahmen, erklärte die Admiralität ab 18. Februar die Gewässer rings um Großbritannien und Irland zum Kriegsgebiet, in dem jedes feindliche Handelsschiff versenkt und auch die Sicherheit neutraler Schiffe nicht garantiert werden konnte. Damit begann der erste von Unterseebooten systematisch geführte Handelskrieg der Geschichte.

Er verlief zunächst nach Regeln der Prisenordnung: Schiffe wurden angehalten, durchsucht und gegebenenfalls versenkt, nachdem Besatzung und Passagiere in die Rettungsboote gegangen waren. Auf Grund vor allem amerikanischer Proteste wegen zunehmender Verstöße gegen das geltende Prisenrecht (Tod vieler Amerikaner bei der Versenkung der »Lusitania« und der »Arabic«), wurde der deutsche U-Boothandelskrieg mal eingeschränkt und zeitweilig völlig eingestellt, um dann verschärft wieder aufgenommen zu werden.

Je kritischer jedoch die Kriegslage für Deutschland wurde (Scheitern der Offensive bei Verdun 1916 und Abschnürung Deutschlands von seinen Rohstoff- und Lebensmittelzufuhren durch die Blockade), um so mehr drängte die militärische Führung beim Kaiser und Reichskanzler sowie der Reichsregierung auf die Aufhebung aller Einschränkungen. Nach den Fehlschlägen an den Fronten erschien der uneingeschränkte U-Boot-Krieg an der Jahreswende 1916/17 als einziges und letztes Mittel zur Niederringung Englands und damit zur Herbeiführung einer Wende im Kriegsverlauf. Am 22. Dezember 1916 versicherte Admiralstabschef v. Holtzendorff dem Chef der Obersten Heeresleitung, Paul v. Hindenburg, damit »in fünf Monaten England zum Frieden zwingen zu können«. In der für Hindenburg bestimmten Denkschrift des Admiralstabes gestand Holtzendorff ein, »dass ein uneingeschränkter U-Boot-Krieg ... selbst einen Bruch mit Amerika in Kauf nehmen muss, weil uns keine andere Wahl bleibt«. Diese Ansicht teilte die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff voll und ganz. Sie setzte ohne Rücksicht auf die politischen Folgen beim Kaiser Wilhelm II. und beim Reichskanzler v. Bethmann Hollweg den Beginn des uneingeschränkten U-Boot-Krieges am 1. Februar 1917 durch. In den zu »Sperrgebieten« erklärten Gewässern um Großbritannien, Frankreich und Italien sowie im östlichen Mittelmeer konnte nun jedes Schiff »unter Einsatz aller Mittel« versenkt werden. Außerhalb der Sperrgebiete, die später erweitert wurden, sollte der U-Boot-Krieg nach Prisenordnung geführt werden.

Der rücksichtslose Einsatz der in ihrer Mehrzahl modernen hochseefähigen U-Boote und die anfangs völlig ungenügenden alliierten Gegenmaßnahmen, ließen die Versenkungsziffern sprunghaft ansteigen. Großbritannien erfuhr eine ernsthafte Bedrohung, der aber bald mit der Intensivierung des britischen und amerikanischen Schiffbaus und der Entwicklung und Vervollständigung der U-Boot-Abwehr, insbesondere mit der Einführung und dem Ausbau des Konvoisystems, wirkungsvoll begegnet wurde. Bald wurde offenkundig, dass das strategische Ziel des uneingeschränkten U-Boot-Krieges unerreichbar, dagegen der Konflikt mit den USA nicht mehr zu vermeiden war.

Die USA hatten sich bei Kriegsausbruch für neutral erklärt Mit den im Laufe des Krieges sich mehr und mehr verstärkenden amerikanischen Rohstoff- und Kriegsmateriallieferungen an die Alliierten und der damit verbundenen Auflegung englischer und französischer Anleihen auf dem amerikanischen Finanzmarkt, trug diese Neutralität einen höchst formalen Charakter. Am 3. Februar 1917 brachen die USA die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab und erklärten am 6. April dem Kaiserreich den Krieg - weil es den uneingeschränkten U-Boot-Krieg nicht einstellte.

Dieser war jedoch nur ein Vorwand für den von der Wilson-Administration längst beabsichtigten Kriegseintritt. Dabei ging es ihr weniger um Verteidigung der Demokratie und des Völkerrechts als um die Sicherung der aus dem Rüstungsgeschäft mit den Ländern der Entente erzielten riesigen Profite für die Banken, an ihrer Spitze Morgan & Co, und die Rüstungsindustrie. Im Blick waren hierbei auch die Nachkriegszeit und die künftige Rolle der USA in der Weltpolitik. Hinzu kam, dass die Februarrevolution in Russland ein Ausscheiden des Zarenreiches aus dem Krieg befürchten ließ, was Deutschland und seinen Verbündeten ermöglichen könnte, alle Kräfte gegen gegen die Westmächte zu werfen.

Das Scheitern des uneingeschränkten U-Boot-Krieges musste bereits am 6. Juli 1917 im Deutschen Reichstag eingestanden werden.

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