nd-aktuell.de / 04.02.2012 / Kultur / Seite 26

Nach links?

BLOGwoche

Roberto J. De Lapuente

Der Aufruf von Jacob Jung (bit.ly/wNJeUg[1]) ist ehrenvoll - überhaupt keine Frage. Nur irgendwie habe ich den Eindruck, dass er an eine linke Masse appelliert, eine Gläubigkeit an eine solche Ballung hegt, eine geschlossene Linkseinigkeit voraussetzt, die es so gar nicht gibt. Er schreibt: »Unzählige linke Blogger, engagierte Publizisten und Fachleute für Internet-Kommunikation stehen bereit ...« - alle warten sie auf die Partei DIE LINKE. Die Linksmasse wartet auf ihre (An-)Führer - so klingt das. Und wenn sich DIE LINKE besser in die modernen Medien einfügt, dann können wir endlich alle losmarschieren - auch so klingt das. Die Unfähigkeit, sich im Internet zu behaupten, ist es, warum der Zeitgeist immer noch nicht links tickt - auch das klingt mit.

Lassen wir mal die Partei DIE LINKE weitestgehend aus dem Spiel. Sie ist halt Partei und als solche wird dort nie ausgestritten sein. Auch ein Vorwurf, den man unter Linken, nicht nur bei denen mit Parteibuch, sondern auch bei denen, die es vom Gemüt her sind, immer wieder hört. Dabei sind Flügelkämpfe typisch parteipolitisch - das ist normal, das ist auch nicht schlecht, wenn man mal ehrlich ist. Eine einheitliche Linie, die vorgegeben wird und von der nicht abgewichen werden soll oder gar darf, muss dem denkenden Subjekt zuwider sein. Leider ticken aber viele Linke in der Linksmasse, die es als relativ kleine Gruppierung nur gibt, genau so. Sie fordern Kadergehorsam und Linientreue. Weicht einer auch nur Millimeter davon ab, so ist er ein Katharer, den sie lieber einem Autodafé übergeben wollten, als ihn andersdenkend weiterdenken zu lassen.

Seien wir doch mal ehrlich: In vielen Linken ist der Gesinnungsterror, der Gesinnungsstalinismus weiterhin innere Gewalt. Es gibt für sie nur einen Weg, den Weg, der richtige, einzige, reine Weg ins harmonische Nirvana. Sie sind, auch wenn sie es leugnen, eschatologische Charaktere, die ganz offensichtlich christlich sozialisiert sind, den Ursprungsort ihres Jenseitsglaubens und Hanges zur individuellen und universellen Vollendung dort zu suchen hätten. Das ist nicht höhnisch gemeint, in diesen Breitengraden ist die christliche Sozialisierung Normalität, auch Atheisten pflegen Denkmuster, die von dort herrühren.

Der Autor ist Publizist und betreibt das Weblog ad sinistram; zum Weiterlesen: ad-sinistram.blogspot.com

Links:

  1. http://bit.ly/wNJeUg