Weichen stellen für die Zeit nach dem Öl

Das Emirat Sharjah setzt, anders als Dubai, nicht auf Gigantomanie und Kommerz, sondern auf Traditionen und Moderne

  • Ekkehart Eichler
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit starkem Akzent auf Kunst und Kultur, Bildung und Tradition geht das Emirat Sharjah seinen eigenen Weg. Und gewinnt dabei auch beständig an touristischer Attraktivität
Im besonderen Licht verwandelt sich die Al-Maghfira-Moschee in ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.
Im besonderen Licht verwandelt sich die Al-Maghfira-Moschee in ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Nur gut zwanzig Minuten braucht das Taxi von Flughafen Dubai bis an die Corniche von Sharjah. Und auch gefühlt scheinen sich die beiden arabischen Brüder ziemlich nah zu sein. Auf den ersten noch flugmüden Blick jedenfalls.

Schaut man ausgeschlafen genauer hin, entdeckt man schnell, dass die hübsch um eine Lagune gruppierten Hochhäuser in Sharjah deutlich weniger hoch in den Himmel ragen als die in Dubai. Dass man hier statt sündhaft teurer Zuckerguss-Luftschlösser gern solide finanzierte Brötchen backt. Dass man lieber bodenständig kleckert, als arrogant klotzt. Kurzum: Dass man mit beiden Beinen ziemlich fest auf dem Boden steht.

Dr. Scheich Sultan bin Mohammed Al Quasimi nämlich hat einen Plan für die Zukunft. Einen Masterplan. Sharjahs Herrscher inszeniert sein kleines Reich keineswegs als »Zukunftsstadt des Nahen Ostens« wie der Nachbar. Anstelle von Gigantomanie, Größenwahn und Kommerz setzt er bewusst auf eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Moderne. Auf Kunst und Bildung. Auf Tradition und Bewahrung der arabischen Identität.

Durchaus mit Erfolg. Auf dem Weg zur islamischen Kulturhauptstadt 2014 arbeitet man etwa mit Hochdruck an der Auferstehung der Heritage Area, einem Ensemble alter Gassen und Gebäude im Stadtzentrum. So wurde das fast verfallene Fort Al Hisn wieder aufgebaut. Das Haus einer Perlentaucherfamilie von 1845 aus traditionellen Baustoffen wie Korallengestein, Mangrovenholz und Palmfasern originalgetreu restauriert und zum Museum gemacht. Der alte Souk mit seinen Lädchen sorgsam hergerichtet und zu neuem Leben erweckt - auch wenn das Ganze nun einen Tick zu klinisch wirkt für einen arabischen Basar.

Ein Geniestreich gelang dem Scheich, als er eine 200 Meter lange Markthalle an der Uferstraße nicht etwa abreißen, sondern prächtig restaurieren ließ und zum Museum für islamische Zivilisationen umfunktionierte. Unter einer imposanten Goldkuppel mit tiefblauem Himmel- und Sternbildermosaik erzählen nun Weltkugeln, Himmelsscheiben, Karten und Uhren von den Spitzenleistungen der arabischen Welt in Astronomie, Geografie, Mathematik und Medizin. Eine eigene Abteilung widmet sich dem Islam, seinen Anfängen, seiner Entwicklung und seinen Heiligtümern. Auch hier mit erstklassigen Exponaten und gelungener Präsentation.

Allein 20 moderne und gut ausgestattete Museen machen das Emirat zu einem Kulturstandort ersten Ranges. Das Museum für Kalligrafie etwa ist einzigartig in der arabischen Welt. Ebenso das Science Centre mit allerlei interaktiven Erlebniswelten, in denen insbesondere Kinder spielerisch Wissenschaften und Technologien erforschen können.

Haie, Rochen, Schildkröten, Quallen, Fische, Korallen - so gut wie alles, was die Gewässer am Golf an maritimem Leben hervorbringen, lässt sich vortrefflich im Aquarium bestaunen, einem Prunkstück am Stadtrand. Das nicht minder sehenswerte Pendant weiter weg in der Wüste heißt Desert Park. Mit Stars wie dem vom Aussterben bedrohten Arabischen Leoparden, mit Hyänen und Oryxantilopen, mit Schlangen und Leguanen. Der Clou: Zum Schutz vor der Hitze sehen Besucher viele fliegende, kreuchende und laufende Wüstenbewohner in Landschaften, die in großen Hallen nachgebaut wurden.

Auch die Universität von Sharjah darf auf keiner Besichtigungstour fehlen. Am südlichen Stadtrand der Wüste abgetrotzt, gleicht die 6,5 Quadratkilometer große Oase weit mehr der weitläufigen Residenz eines Herrschers als einer Bildungsstätte, so elitär diese auch sein mag.

Eröffnet von einem mächtigen Triumphbogen führt eine fünf Kilometer lange begrünte Prachtstraße durch das Gelände. Links und rechts davon reihen sich die Fakultäten wie Perlen an zwei Ketten - allesamt in arabischem Stil und mit Kuppeln, was sie aussehen lässt wie Paläste aus Tausendundeiner Nacht. Ein imposanter Beweis für den Stellenwert, den der promovierte Landesvater der Bildung beimisst - eine von Sharjahs wichtigsten Investitionen in die Zukunft.

Eine bedeutende Rolle im Masterplan spielt auch das im Februar 2011 erstmals zelebrierte Sharjah Light Festival. Die weltweit besten Lichtdesign-, Computer-, Laserprojektions- und Multimediaspezialisten durften dabei ihrer Fantasie freien Lauf lassen und eine Woche lang Paläste, Moscheen, Museen, historische Gebäude, Parks und sogar einen riesigen Kreisverkehr märchenhaft verzaubern - ein im wahrsten Wortsinn illustrer Kraftakt, das kleine Emirat als Kulturreiseziel auf der touristischen Landkarte nachhaltig zu positionieren. Seine zweite Auflage erlebt das Lichterspektakel in diesem Februar.

Wenn laut Prognosen in zehn Jahren die ohnehin spärlichen Erdöl- und Erdgasquellen endgültig versiegen, scheinen also allerlei Weichen bereits gut gestellt zu sein. Wie man jedenfalls Moderne und Traditionen miteinander verbindet und damit auch dem Tourismus deutliche Impulse verleiht, dafür ist nicht nur das Lichterfestival ein überzeugendes Beispiel.

Infos:
Sharjah Commerce & Tourism Development Authority, Repräsentanz für Deutschland, Österreich, Schweiz, Tel.: (04101) 37 09 240, www.sharjahtourism.ae (auch auf deutsch), www.sharjahlightfestival.ae

1 Woche mit Flug gibt es ab 600 € u.a. bei Neckermann, JT Touristik, Öger-Tours, L-Tur; Oasis Travel bietet eine 8-Tage- Selbstfahrerrundreise durch die Emirate ab 1099 Euro; Extra Tour hat eine 8-Tage Emirate-Rundreise ab 665 Euro im Angebot

Veranstaltungen 2012:
2. Lichterfestival im Februar

10. Sharjah Biennale für zeitgenössische Kunst von März bis Mai, Welterbetage im Dezember

Reiseführer
Polyglott on tour, Oman/VAE, 12,95 Euro; Marco Polo, Vereinigte Arabische Emirate, 9,95 Euro

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