nd-aktuell.de / 04.02.2012 / Brandenburg / Seite 16

Weißt du, wie viel Lenins stehn?

Was die CDU im Straßenschilde führt, zeigt eine Anfrage zur SED-»Symbolpolitik«

Wilfried Neiße
Um die offizielle Erinnerungspolitik ist eine harte Auseinandersetzung zwischen der Landesregierung und der Opposition entbrannt. Nachdem die CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig der Landesregierung vorgeworfen hat, »die Symbol- und Repräsentationspolitik der SED-Diktatur« zu dulden, wurde ihre Darstellung vom Chef der Staatskanzlei Albrecht Gerber scharf als »irreführend« scharf zurückgewiesen.

Frau Ludwig behauptet in der Anfrage, es bestehe »Aufklärungsbedarf über die zahlreichen Schulen, Sportstadien und öffentlichen Einrichtungen in Brandenburg, die bis heute einen Namen tragen, »der ihnen zu SED-Zeit verliehen wurde«. Aufklärungsbedarf bestehe außerdem, »inwiefern die SED bis heute mit dem bewussten Herrschaftsakt der Namensgebung das Land Brandenburg und seine Bürger prägte«.

Ludwig hatte einen umfassenden Fragekatalog eingebracht, der den Geist einer beispiellosen Bilderstürmerei vorwegnimmt. Sinnigerweise beschränkte die CDU-Politikerin ihren Blickwinkel und auch ihre Frage auf die Gegebenheiten der Jahre 2011/2012. Andernfalls hätte sie die eigene Partei in die Fragen einbeziehen müssen. Denn bis 2009 war die CDU in Brandenburg Regierungspartei, besetzte den Posten des Kulturministers und war also für den Umgang mit Denkmalen zuständig.

Im Stile eines autoritären Kulturwarts verlangt Ludwig detailliert und aufgeschlüsselt Aufstellungen über die Umbenennung von Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen. Sie fordert die lückenlose Erfassung von Erinnerungstafeln, Statuen, Plastiken und Büsten. Ihr pädagogischer Impetus gilt der Umbenennung von Straßen, Plätzen, öffentlichen Einrichtungen, Sporteinrichtungen.

Bei den sowjetischen Ehrenmalen interessieren sie nicht nur die Zahl, sondern auch die Kosten für die deren Instandhaltung und Rekonstruktion. Die Frage nach den Kosten stellt sie auch noch bei »Denkmälern der DDR-Diktatur« und Denkmälern wie der rosa angestrichenen Schneefräse auf dem Denkmalssockel in Dreilinden. Bei allen übrigen Denkmalen stellt sich die Frage nach den Kosten für ihren Erhalt offenbar nicht.

Neben der Zahl der Stalin-Büsten will Ludwig auch vorgerechnet haben, wie viele Lenin-Büsten es in Brandenburgs öffentlichem Raum gibt. Vielleicht hatte Frau Ludwig dabei im Blick, dass die erste Maßnahme des russischen Staatschefs Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin) war, den Krieg mit Deutschland zu beenden.

Ein Kriterium ist für Frau Ludwig nicht etwa, ob und welche Verdienste sich der jeweilige Namenspatron im Kampf gegen Hitler erworben hat, sondern, ob Einrichtungen einen Namen tragen, der ihnen »zu Zeiten der SED-Diktatur verliehen wurde«. Hier zieht sie die Grenze. Streng trennt Frau Ludwig zwischen anerkannten Kommunisten und den Namen von russischen Militärs einerseits. Eine andere Kategorie sind für sie die Widerstandskämpfer »aus dem Kreis der Verschwörer um Graf Schenk von Stauffenberg«.

Staatssekretär Gerber erklärte die Landesregierung in der meisten Fragen für nicht zuständig, da es sich um Dinge handle, die entweder vor der Gründung des Landes Brandenburg stattfanden oder in die kommunale Kompetenz fallen. Mehrfach betonte er, das Land Brandenburg sei »nicht Rechtsnachfolger der DDR«. Auskunft geben konnte er jedoch, was sich das Land - übrigens auch während der Regierungszeit der CDU - die Arbeiten an sowjetischen Ehrenmalen kosten ließ. Demnach wurden fast 4 Millionen Euro seit 1991 für Sonderprojekte auf sowjetischen Ehrenmalen aufgewendet. 3,48 Millionen Euro davon seien seitens der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden, das Land Brandenburg habe 324 000 Euro beigesteuert. Sonstige Aufwendungen für diese Gedenkstätten seien darin nicht enthalten.

Laut Gerber gibt es im Land Brandenburg 286 Gräberstätten und 27 Gedenkstätten ohne Gräber, welche an die Soldaten der Roten Armee erinnern. Im Landtag musste Ministerpräsident Matthias Platzeck Frau Ludwig daran erinnern, dass sich Deutschland in den 2-plus-4-Verträgen von 1990 gegenüber Russland zur Pflege dieser Erinnerungsstätten verpflichtet hatte. Dies sei angesichts der Opferbilanz bei den sowjetischen Soldaten während der Befreiung vom Faschismus in Brandenburg ein ehrliches Anliegen.