nd-aktuell.de / 06.02.2012 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Kälteliebende Pflanzen unter Druck

Arktische Vegetationsentwicklung simuliert / Erwärmung ändert Vegetation in der Hocharktis

Andreas Knudsen
46 Forscher aus Europa, Australien und Nordamerika wagten einen Blick in die Zukunft der Biotope in den subpolaren Tundren und im Hochgebirge. Deren typische Vegetation gerät durch den Klimawandel unter Druck.
Feldversuch auf Grönland
Feldversuch auf Grönland

Klimaprognosen gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in den arktischen Tundragebieten bis zum Jahre 2050 um 1,8 Grad gestiegen sein wird. Ungeachtet möglicher lokaler Schwankungen wird die kurze Wachstumsperiode damit um mehrere Wochen verlängert.

Im Rahmen des Programms »Global Observation Research Initiative in Alpine Environments« (Gloria) untersuchten Forscher die Umweltänderungen in alpinen und Tundragebieten. 2001 wurden zwischen zwischen Kreta und Lappland 867 Pflanzenproben von 61 Gipfeln in 17 Bergmassiven entnommen und mit den Ergebnissen der Sammlung von 2008 an den gleichen Stellen verglichen. Das Resultat: Die Vegetation ändert sich mit der Erwärmung, kälteliebende Pflanzen müssen in höhere Lagen ausweichen. Der wissenschaftliche Koordinator des Gloria-Programms, Michael Gottfried von der Universität Wien, befürchtet allerdings, dass »diesen Pflanzen bald die Berggipfel ausgehen werden. In tieferliegenden Gebieten müssen wir konstatieren, dass Feuchtgebiete von Buschwerk verdrängt werden.«

Eine weitere Untersuchung im nordschwedischen Abisko-Nationalpark, die bereits vor 20 Jahren begann, wurde von dänischen und schwedischen Forschern durchgeführt. Um auch die Hocharktis zu erfassen, kam als nördlichste Station Zackenberg auf Grönland dazu. In beiden Gebieten wurden kleine Stücke Tundra mit Plastikgewächshäusern überdacht, um die erwartete Temperatursteigerung zu simulieren. Die Artenzusammensetzung änderte sich nur unbedeutend, aber Zwergbirke und arktische Weidenbüsche wuchsen höher und stellten Moos, Flechten und Heidekraut buchstäblich in den Schatten. Geschieht dies zugleich mit den erwarteten Temperatursteigerungen großflächig, wird sich der Charakter zunächst der subpolaren und wärmeren Tundren ändern. Moose und Flechten werden verdrängt, da diese nicht in Schatten gedeihen. Das hat Auswirkungen beispielsweise auf Rentiere, die von ihnen leben. Dazu kommt, dass größere Pflanzen zwar mehr CO2 aus der Luft aufnehmen, aber durch die veränderte Zusammensetzung des Bodens dort mehr und andere Mikroorganismen aktiv werden, die CO2 freisetzen. Wie die Balance zwischen Freisetzung und Aufnahme von CO2 aussehen wird, ist noch nicht absehbar und wird lokal unterschiedlich verlaufen. Im Süden Grönlands und Lapplands können diese Prozesse bereits beobachtet werden, die mit der Klimaerwärmung auch in höheren Breiten fortschreiten werden.