nd-aktuell.de / 08.02.2012 / Ratgeber / Seite 28

Bahn ist zum Schadenersatz verpflichtet

Wenn ein Fahrgast wegen Glatteis auf dem Bahnsteig stürzt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über den Schadenersatzanspruch eines Fahrgastes entschieden, der aufgrund von Glatteis auf einem Bahnsteig gestürzt war. Das Gericht stellte dabei fest, dass ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund des abgeschlossenen Personenbeförderungsvertrags verpflichtet ist, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast keinen Schaden erleidet (BGH-Urteil vom 17. Januar 2012, Az. X ZR 59/11). Darüber informiert der Verband deutscher Verkehrsrechts-Anwälte.

Die Beklagte, die Deutsche Bahn Fernverkehr AG, erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Fernverkehr. Die Klägerin erwarb bei ihr einen Fahrausweis für eine Fahrt mit dem ICE von Solingen nach Dresden. Auf dem Weg zum Haltepunkt des ICE stürzte die Klägerin auf dem Bahnsteig des Bahnhofs.

Eigentümerin des Bahnhofs ist die DB Station & Service AG. Diese hatte die Reinigung und den Winterdienst der in diesem Fall ebenfalls Beklagten, der DB Services GmbH, übertragen. Diese hatte behauptet, sie habe ihrerseits den Winterdienst auf den Streithelfer übertragen.

Wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen verklagte die gestürzte Frau zunächst die DB Station & Service AG. Das Landgericht wies diese Klage mit der Begründung ab, die DB Station & Service AG habe die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf DB Services GmbH übertragen.

Die Klägerin begehrte Schmerzensgeld, Schadenersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden wegen der durch den Sturz zugezogenen Verletzungen. Das Landgericht wies die Klage gegen die erste Beklagte durch Teilurteil ab. Auf die Berufung der Klägerin hob das Oberlandesgericht das Teilurteil und das Verfahren auf, verwies die Sache an das Landgericht zurück und ließ die Revision zu.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, das Teilurteil des Landgerichts sei unzulässig, da auch eine Haftung der ersten Beklagten in Betracht komme. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen sei gegenüber dem Fahrgast vertraglich verpflichtet, für einen verkehrssicheren Zustand des Bahnsteigs zu sorgen.

Der Bundesgerichtshof bestätigt dies und wies die Revision des beklagten Eisenbahnverkehrsunternehmens zurück. Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen ist aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, die Beförderung so durchzuführen, dass der Fahrgast keinen Schaden erleidet. Dies betrifft nicht nur den eigentlichen Beförderungsvorgang zwischen Ein- und Aussteigen, sondern auch den Zu- und Abgang.

Trotz der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 1994 I S. 2439) ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags verpflichtet, Bahnanlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, bereitzustellen und verkehrssicher zu halten. Wird diese vertragliche Pflicht schuldhaft verletzt, haftet das Eisenbahnverkehrsunternehmen gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB und hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens - und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte - deren Verschulden in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden (§ 278 BGB).