nd-aktuell.de / 15.02.2012 / Kultur / Seite 13

Mein Tagebuch (6)

Retrospektive

Günter Agde

Manche Filme von Meschrabpom-Film entstanden aus Anlass von sowjetischen Jubiläen und sollten Errungenschaften der Revolution feiern - und die Massenstimmung von Aufbruch und Kraft auch ins Ausland tragen.

»Pjatiletije Sowjetskoi Rossii« (Fünf Jahre Sowjetrussland, 1922) Einer der ersten Filme aus und über Sowjetrussland, der nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland gezeigt wurde. Ein früher Jubiläumsfilm, mit Bildern vom damaligen Moskau, zeitgenössischen Politikern, unter ihnen Trotzki, Militärparaden und nur wenig gewöhnlichem Alltag. Für deutsche Zuschauer damals brachte der Film erste Bilder von einem fernen Land voller Veränderungen und - ja, das auch: Verheißungen.

»Drugaja Schisn« (Ein anderes Leben, 1930, Scheljabuschski) Ein eindrucksvoller Filmessay über die Sowjetrepublik Aserbaidschan und ihre Hauptstadt Baku. Mit Neugier und Stolz entdecken die Filmemacher aus dem fernen Moskau die Reize und Schönheiten eines fernen, fremden Landes: Karawanen, verschleierte Frauen, die Basare und exotischen Früchte und vor allem das Erdöl als Reichtum und Arbeitgeber. Das neue Leben unter der Sowjetmacht verändert alles: Arbeit, Bildung, Sport, Wohnung. Eine filmische Hymne zum 10. Jahrestag der Sowjetmacht - realistisch, turbulent, informativ.

»Gorisont« (Horizont, 1933, Kuleschow) Der Film umreißt Emigration und Remigration eines unverwüstlich optimistischen Naturburschen: aus dem zaristischen Russland nach New York und zurück in die junge Sowjetunion. Trotz aller Anstrengungen gelingt ihm nirgends eine Karriere. Der melodramatische, abwechslungsreiche Bilderbogen wird vom kraftvollen Hauptdarsteller getragen, der den ursprünglichen Gerechtigkeitssinn seiner Figur herausstellt. Und am Ende nach vielen Jahren freut er sich, wenigstens Lokführer geworden zu sein.

Unterhaltsames, solides Kino-Repertoirefutter. Und zugleich optische Gegensätze: filmische, realitätsferne Genre-Malereien aus New York, wie man es sich damals von Moskau aus vorstellte - dagegen gesetzt expressiv durchinszenierte Szenen von Gewalt und Plünderung bei einem Pogrom in einem Bauerndorf. - Ein eigenwilliger, zugleich wenig harmonisierender Film Lew Kuleschows.

● »Pjatiletije Sowjetskoi Rossii«: Mi., 15.2., Cinemaxx 8, 14 Uhr.
Wdh. Do., 16.2., Zeughauskino, 15.30 Uhr.

● »Drugaja Schisn«: Mi., 15.2., Cinemaxx 8, 14 Uhr. Wdh. Do., 16.2., Zeughauskino, 15.30 Uhr.

● »Gorisont«: Mi., 15.2., Cinemaxx 8, 19 Uhr