nd-aktuell.de / 24.02.2012 / Brandenburg / Seite 9

Nur das obere Drittel kann sich das leisten

Michael Neuner macht Öffentlichkeitsarbeit für Zapf Umzüge, Berlins größtes Umzugsunternehmen

nd: Berlin zieht gerne um. Und immer häufiger müssen Menschen in Berlin umziehen. Da müsste ihr Geschäft ja brummen ...
Neuner: Ein Umzugsunternehmen lebt nicht von den Leuten, die umziehen müssen, sondern von denen, die umziehen wollen. Bis vor sechs, sieben Jahren gab es einen Mietermarkt, wo die Leute auch für kleinere Verbesserungen den Wohnort gewechselt haben. Das war eine freiwillige Geschichte. Davon lebt ein Umzugsunternehmen. Leute, die umziehen müssen, weil sie ökonomisch an die Wand gedrückt werden, machen es selber.

Sie werden weniger für Studentenumzüge als für Umzüge von ökonomisch Stabilerer angefragt?
Ja. Eigentlich möchte ich das Drittelmodell nicht benutzen, aber, es ist etwas, was das obere Drittel sich leisten kann. Das mittlere diskutiert und das untere muss den Umzug selber machen.

Wer Umzugszuschüsse bekommt, schlägt bei Ihnen nicht auf?
Hin und wieder schon. Wir schikken niemanden weg. Die klassischen Sozialamtsumzüge, bei denen das Amt gesagt hat »Du gehst jetzt los und holst dir drei Kostenvoranschläge von drei Umzugsunternehmen, und dann zahlen wir dir einen davon«, gibt es nicht mehr.

Jetzt gibt es kleine Pauschalen, von denen kein Unternehmer leben kann. Die Betroffenen mieten sich also ein Auto. Diese Klientel ist tatsächlich aus der Umzugsbranche herausgerutscht. Auch da ist die Verelendung angekommen, wenn Sie so wollen.

Apropos »herausrutschen«. Beobachten Sie in Berlin eine Bewegung von der Innenstadt in die Randgebiete?
Aus unseren Daten können wir das nicht bestätigen. Wir sind zwar mit Tausenden Umzügen im Jahr der größte Player am Ort, aber wir können das nicht darauf herunterbrechen, wer aus dem Reuterkiez Neukölln in angrenzende Gebiete wie die Gropiusstadt zieht. Uns fehlt der Zugang zu denen, die da verdrängt werden. Das ist nicht unsere Klientel.

Sie wollen, dass die Leute freiwillig umziehen. Sehen Sie die Mietentwicklung problematisch?
Vor zehn Jahren hatten wir eine Umzugsquote von 12 Prozent und einen relativ freundlichen Mietermarkt, da sind viele Leute einfach mal so umgezogen. Nach einem deutlichen Rückgang ist die Umzugsquote jetzt wieder auf zehn Prozent gestiegen, es gibt einen verstärkten Zuzug von außen. Im Kreuzberger Gräfekiez oder Bergmannkiez sind die Mieten in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Decke gegangen. Die Neumieter kommen aus München oder Stuttgart. Aber diese kontinuierliche Binnenbewegung einer mobilen Mittelschicht hat nachgelassen.

Fragen: Sonja Vogel