Naturkatastrophen und neue Skandale

Buzek verliert einen Minister nach dem anderen

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Naturelemente fügten dem Land zwischen Oder und Bug seit dem letzten Wochenende große Schäden zu. Rund um die Uhr waren Tausende Angehörige der Rettungsdienste damit beschäftigt, die Folgen von orkanartigen Stürmen und Überschwemmungen zu beseitigen. Derweil wurden neue Skandale und Finanzaffären vermeldet.

Wie ein Sprecher der Abendnachrichten des öffentlichen Fernsehens TVP muss auch der ND-Korrespondent eingangs bemerken: Tut mir leid, dass ich fast nur schlechte Nachrichten habe. Nachdem schon die Skandale um den ehemaligen Justizminister Lech Kaczynski und um Vizeverteidigungsminister Romuald Szeremetiew (in beiden Fällen mischten die Geheimdienste mit) die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das bröckelnde System der so genannten Ethos-Parteien gelenkt hatten, wurden diese Woche drei weitere Fälle publik.
Bereits am Montag wurde Tomasz Szyszko, der für Telekommunikation zuständige Minister, von Premier Jerzy Buzek in den Urlaub geschickt. Am Dienstag folgte die Festnahme von Grzegorz Wieczerzak, der noch unlängst die noch-staatliche Lebensversicherung PZU-Zycie leitete. Der irreguläre Verkauf von fünf Zuckerfabriken in der Region Wielkopolska an einen deutschen Konzern, abgeschlossen von Staatsschatzministerin Aldona Kamela-Sowinska, machte am Mittwoch Schlagzeilen.

Entlassung statt Rücktritt vom Rücktritt

Die Sache mit Szyszko ist besonders interessant. Der Minister hatte nach dem Rausschmiss von Lech Kaczynski zunächst aus Protest ebenfalls seinen Hut nehmen wollen. Zuvor ein führender Kopf in der Bewegung Wahlaktion Solidarnosc, erklärte Szyszko seine Solidarität mit dem Chef der neuen politischen Sammlung »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), zu der er übergelaufen ist. Nach wenigen Stunden zog er seine Rücktrittsdrohung jedoch zurück: Er wolle noch einige offene Fragen im Ressort erledigen. Das aber schaffte Szyszko nicht mehr.
Auf dem Schreibtisch von Regierungschef Buzek lag nämlich inzwischen ein Brief der Kontrollbehörde NIK, der auf Korruptionsverdacht in Szyszkos Ressort hinwies. Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin ein »Verfahren in der Sache«. Fest steht: Konzessionen für Telekommunikationsunternehmen wurden ohne Ausschreibungen erteilt, das Verfahren zur Vergabe von UMTS-Lizenzen wurde (angeblich mangels »Schmiergeldern«) abgewürgt. Premier Buzek konnte den Minister nicht länger halten. Am Mittwoch ließ er ihn fallen. Der wegen »mangelnder Aufsicht« in seinem Ministerium gefeuerte Szyszko bedauerte nur, dass sich niemand zu seiner Verteidigung gefunden habe. In den Warschauer Kulissen wurde geflüstert, ER verfüge über kompromittierendes Material gegen andere Regierungsmitglieder und könne eventuell auspacken.

»Wie in einem billigen Krimi«

Der ehemalige Versicherungschef Wieczerzak, der bereits seit einiger Zeit »Beobachtungsobjekt« einer speziellen Kriminalistentruppe war, wurde am Dienstag beim Versuch, seinen »Begleitern« zu entkommen, festgenommen. Er war durch den Haupteingang eines Warschauer Nobel-Hotels geschritten und wollte es - in eine andere Jacke geschlüpft - durch eine Seitentür wieder verlassen, um den Polizeischwanz abzuschütteln. »Lächerlich, wie in einem billigen Krimi« - kommentierte der AWS-Senator und Rechtsanwalt Krzysztof Marek Piesiewicz. Die junge polnische Demokratie entwickle sich zum »Parteienstaat« und verkomme an der Misswirtschaft der Parteien.
Dass ausgerechnet ein AWS-Mann die Vetternwirtschaft im eigenen Lager so scharf brandmarkt, hat durchaus einen Sinn. So wollen sich einige »Ethos«-Leute am Zopf des eigenen Mutes kurz vor Torschluss aus dem Morast retten. Weil ihnen eine Niederlage bei den Sejm-Wahlen sicher ist, versuchen sie durch Bildung eines »Komitees 2001«, in dem die Prominenz aller kompromittierten Gruppierungen des Solidarnosc-Lagers vertreten sein soll, zumindest im 100-köpfigen Senat ein Drittel der Sitze zu erreichen.
Besagtem Versicherungsexperten wird indes vorgeworfen, Hunderte von Millionen aus dem staatlichen Versicherungsfonds für dubiose Geschäfte verwendet zu haben. Die Affäre mit dem Verkauf der Zuckerfabriken ist dagegen wirklich ein Kinderspiel - eine winzige Episode im häufig wahrhaft kriminellen Privatisierungsgeschäft. Die Folgen des Unwetters, das über Polen tobte, werden früher oder später beseitigt sein. Wann aber dem Unwesen auf der Berührungsfläche zwischen Wirtschaft und Politik der Garaus gemacht werden kann, ist völl...

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