nd-aktuell.de / 25.02.2012 / Politik / Seite 15

Nicht ganz dicht

Rot-Grün in NRW hat ein »Rohrtest-Problem«

Marcus Meier, Düsseldorf
Eine Dichtheitsprüfung für Abwasserkanäle, die Rot-Grün in NRW Haus- und Häuschenbesitzern auferlegte, ist hochgradig umstritten. Und sie könnte zudem verfassungswidrig sein.

Der Vizechef der Linksfraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen war sichtlich erfreut. »Ziemlich vernichtend« - mit diesen Worten beschrieb Rüdiger Sagel den Tenor eines Rechtsgutachtens, das die LINKE gestern in Düsseldorf vorstellte. Das 30-Seiten-Papier gibt der rot-grünen Landesregierung ein schlechtes Zeugnis: »Verfassungswidrig« und »nichtig« sei die nordrhein-westfälische Gesetzeslage, die Hausbesitzer dazu verpflichtet, die Dichtigkeit ihrer Abwasserleitungen überprüfen zu lassen. Das Landesrecht stehe im Widerspruch zum Bundesrecht, das eine solchen Zwang ausschließe.

Auf eigene Kosten

Das Pikante daran: Das Rechtsgutachten hatte der offizielle Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst des Landtages erstellt - im Auftrag der Linksfraktion. »Eine Zwangsüberprüfung darf es also nicht geben«, resümierte Rüdiger Sagel dessen Inhalt. Zwar sei es unter Umweltgesichtspunkten durchaus sinnvoll, zu überprüfen, ob Abwasserleitungen dicht seien. Das jedoch nur bei konkretem Verdacht. Rot-Grün hingegen zeichnet sich für Sagel durch eine »Regelungswut« aus.

Das Ergebnis des Gutachtens dürfte Millionen Eigenheimbesitzer in NRW freuen. Längst machen Bürgerinitiativen gegen den verpflichtenden Rohrtest mobil. Nach jetzigem Stand müssen Hausbesitzer bis 2015 ihre Abwasserleitungen überprüfen lassen - auch ohne konkreten Verdacht einer Umweltgefährdung durch undichte Leitungen. Die Überprüfung ist sehr aufwendig. Die Kosten dafür müssen die zwangsverpflichteten Auftraggeber selbst tragen. Doch Experten bestreiten, dass von privaten Abwasserleitungen allzu große Gefahren für Boden und Grundwasser ausgehen. Sie seien schlicht vernachlässigbar, wie Versuche von Wissenschaftlern der Fachhochschule Münster ergaben.

»Menschen, die ein Häuschen besitzen, sind nicht unbedingt reich«, betonte gestern Hamide Akbayir, umweltpolitische Sprecherin der NRW-Linksfraktion. Sie hofft nach dem Gutachten auf einen Neubeginn der Debatte.

Komplexe Rechtslage

Längst ist Rot-Grün ein Stück weit zurückgerudert - die Frist wurde bis 2023 verlängert, Ein- und Zwei-Familienhäuser sollen von der Pflicht befreit werden. Doch alle drei Oppositionsparteien - also alle potenziellen Mehrheitsbeschaffer für die Minderheitsregierung - setzen weiter auf Fundamentalkritik.

FDP und CDU legten einen eigenen Entwurf vor, Teile ihrer Kritik ähneln derjenigen der Linksfraktion. Für die LINKE forderte Rüdiger Sagel gestern weitere Nachbesserungen: Auch der aktuelle Gesetzentwurf der Landesregierung sei so nicht zustimmungsfähig. Ob die Linksfraktion notfalls dem schwarz-gelben Gesetzentwurf zustimmen würde oder vielleicht einen eigenen vorlegen wird, ließ Sagel gestern offen.

Die Rechtslage ist komplex. Weil Rot-Grün in Sachen Dichtigkeitsprüfung bisher auf eine »anlagenbezogene Regelung« setzt, sind die Kompetenzen des Landes eingeschränkt. Das Bundesrecht gestattet den Ländern zwar Abweichungen, jedoch nicht in dem Umfang, wie Rot-Grün ihn ausschöpfte. Das besagt zumindest das Gutachten der Linksfraktion. Andere Gutachten könnten folgen.