Castorf und Kasimir

Ring für Ofczarek

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Ringelband ist ein lustiger Name. Zumal für einen Theaterkritiker, von dem doch eher ein betont zerknirschter Ernst und eine ausdrucksgewisse Unberührbarkeit erwartet werden. Herr Ringelband ist eigentlich ein Unbekannter - und doch eine Berühmtheit. Er starb im hessischen Bensheim, und sein Erbe ist immerhin so groß, dass es seit beträchtlicher Zeit einen Preis finanzieren kann: den jährlichen Gertrud-Eysoldt-Ring, gestiftet für brillante Schauspielkünstler. Verliehen wird der Preis natürlich in Bensheim, im März bekommt ihn - Nikolas Ofczarek.

Der 1971 geborene Sohn einer Opernsänger-Familie ist Mitglied des Burgtheaters; er war eine Entdeckung jenes Intendanten, der die Burg vor rund zwei Jahrzehnten zum aufregendsten deutschsprachigen Theater hochgetrieben hatte, Claus Peymann. Ofczarek spielte besonders stark in Inszenierungen Martin Kusejs, auch bei Andrea Breth, derzeit spielt er den Jedermann in Salzburg (Regie: Christian Stückl) - die Buhlschaft, Birgit Minichmayr, ist ihm Partnerin auch in jener Aufführung, für die er den Eysoldt-Ring erhält: Beide sind Kasimir und Karoline in Frank Castorfs Interpretation des Horvath-Stückes am Bayerischen Staatsschauspiel München.

Ofczareks Kasimir bereichert auf großartige Weise jene starke Garde der Castorf-Schauspieler, die dem Wort vom Bühnen-Arbeiter einen ganz neuen Adel gaben. Kasimir: ein Wildgewordener mit schneidend hochfahrender Stimme. »Ein von Tausenden innerer Ameisen gepiesackter Hystericon«, schrieb »nd« in der Premierenkritik. »Dann wieder ein bös-bulliger Golem, der seinen Egoismus wie eine Walze übers Karoline-Seelchen lenkt.« Im Maschinenraum seiner eigenen Seele überheizt Kasimir die Kessel, bis ihm alle Geduld platzt. Ofczarek ist zu gut, um in seinem Komödiantenglühkern nicht auch das erbarmungswürdige Wesen Kasimir glimmen zu lassen, den Menschen, der keine Karoline verliert, sondern eine Welt.

Castorf hat soeben seinen Intendanten-Vertrag an der Berliner Volksbühne bis 2015 verlängert, er wird dann 25 (!) Jahre Direktor gewesen sein. So oft als genial bezeichnet, so oft abgeschrieben - keiner hat Glanz und Elend derart inniglich zu verkuppeln vermocht; uneinholbar: dieses Phlegma mit der einmaligen Dynamik, das schön und schmutzig Theatergeschichte schreibt. Weidlich Grund für ein wohliges Grinsen: Soeben wurden zudem drei Volksbühnen-Tollheiten fürs Theatertreffen nominiert - und der Hauptakteur einer aktuellen Castorf-Inszenierung holt sich in Bensheim den Eysoldt-Ring.

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