Unternehmer schickten Schlägerbande

Deutsche Miliz greift in Belgien streikende Arbeiter an

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein deutscher Sicherheitsdienst wird über die Grenze geschickt und greift in Belgien streikende Arbeiter an. Gewerkschaften protestieren. Es geht um die Jobs von 20 Leiharbeitern.

Im Auftrag der deutschen Firmenleitung des Autoteileherstellers Meister hat am vergangenen Sonntag eine 15-köpfige vermummte Schlägertruppe die streikenden Arbeiter eines Zweigwerks in Belgien überfallen. Die schwarz gekleideten und mit Gummiknüppeln, Baseballschlägern und Tränengasspray bewaffneten Mitarbeiter einer deutschen »Sicherheitsfirma« waren über die Grenze geschickt worden, um drei bereits mit Maschinen und Teilen beladene Lastwagen »in Sicherheit zu bringen«.

Die Arbeiter halten das Werk in Sprimont bei Lüttich seit mehr als einer Woche besetzt, um gegen die Pläne des zur Poppe+Potthoff-Gruppe gehörenden Unternehmens zu protestieren, einen Teil der Produktion in die Tschechische Republik zu verlegen und dafür Arbeitsplätze im belgischen Werk zu streichen. Den am Sonntag überfallenen Arbeitern gelang es, in kürzester Zeit nahezu 100 Kollegen und Freunde zu mobilisieren und mit ihnen das Überfallkommando auf dem Firmengelände bis zum Eintreffen der Polizei zu blockieren.

Die Schläger wurden dann von Beamten bis zur deutschen Grenze eskortiert und abgeschoben. Die Staatsanwaltschaft von Lüttich hat am Montag ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Drei der überfallenen Arbeiter haben ihrerseits Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Nach Angaben der französischen Zeitung »Le Soir« haben die belgischen Polizisten jedoch die Personalien der deutschen »Sicherheitsleute« nicht erfasst. Wie die belgische Innenministerin Joelle Milquet erklärte, haben diese gegen geltende belgische Gesetze über die amtliche Zulassung solcher Unternehmen verstoßen und sie würden daher juristisch behandelt wie eine »Privatmiliz«. Die belgische Arbeitsministerin Monica De Coninck schätzte ein, dass »diese Methoden nicht hinnehmbar sind und aus einer längst vergangenen Zeit stammen«.

Die Gewerkschaften kritisierten das Verhalten der Polizei, die die Täter zur Grenze begleitet und nicht vorläufig festgenommen und verhört habe. Die wallonischen Grünen forderten von der Brüsseler Regierung »energischen diplomatischen Protest« gegenüber den deutschen Behörden. Die belgischen Medien berichten seit Tagen ausführlich und geben empörte Reaktionen vieler Belgier wieder.

Durch ihre belgischen Kollegen erfuhren deutsche Gewerkschafter vom dem Vorfall. So protestierte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Bielefeld Harry Domnik »aufs Schärfste gegen das brutale Vorgehen von Schlägertrupps gegen streikende Gewerkschafter«. Von der deutschen Firmenleitung forderte er, »sich bei den belgischen Gewerkschaftern in aller Form zu entschuldigen«. Der Geschäftsführer der Gruppe Poppe+Potthoff, Rüdiger Faustmann, sagte laut Pressemitteilung, dass er »sehr bedauert, dass es zu diesem Konflikt gekommen ist«. Es sei scheinbar nicht gelungen, der Belegschaft zu vermitteln, dass die Auftragsvergabe nach Tschechien für das Unternehmen »eigentlich eine gute Botschaft« sei. Überdies hätten nur Leiharbeiter ihre Stellen verloren. Aktuell wird bei Meister wieder gearbeitet. Ein Krisenmanager ist vor Ort.

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