nd-aktuell.de / 02.03.2012 / Politik / Seite 6

Razzia gegen »Waffennarren«

In Bayern und Rheinland-Pfalz stießen Polizisten beim Einsammeln von Waffen zufällig auf Neonazis

René Heilig
Die wohl größte Polizeirazzia in Bayern richtete sich in dieser Woche gegen illegalen Waffenbesitz. Auch unweit des rheinland-pfälzischen Trier schlugen Behörden zu. Unter den Verdächtigen sind Anhänger der Neonazi-Szene. Fünf Männer und eine Frau wurden festgenommen.

Dienstagfrüh, 6 Uhr: 1500 Polizisten stürmten zeitgleich 58 Wohnungen, Bauernhöfe, Büros und Betriebe. 16 davon befanden sich in Niederbayern, 33 weitere in der Oberpfalz. Im Raum Regensburg durchsuchten Beamte Objekte in Wiesent, Wörth, Obachdorf, Piesenkofen, Lappersdorf und Burgweinting. Zugleich »besuchte« die Polizei zwei Quartiere in Baumholder nahe Trier.

Anlass für die Großrazzia war die »Lebensbeichte« eines Waffenhändlers, der bereits im Dezember festgenommen worden war. Dank seiner Angaben fanden die Beamten über 200 Schusswaffen - darunter Maschinenpistolen, ein Maschinengewehr, eine Abschussvorrichtung für eine Panzerfaust sowie mehrere tausend Schuss Munition, dazu Schlagringe, Schlagstöcke und Schießkugelschreiber. Auch Rauschgift habe man sichergestellt.

Der Polizei sei »ein empfindlicher Schlag gegen illegalen Waffenbesitz auch im rechtsextremen Milieu gelungen«, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gestern. Nun müsse ermittelt werden, »ob es terroristische Planungen gegeben hat«. Es scheint, als wolle der Minister die Aktion zu einer gegen Rechtsterrorismus umdeuten. Ursprünglich hatte man es aber wohl auf »Waffennarren« und Motorradclubs - angeblich den Imperium MC und den Baumholder MC - abgesehen. Markus Pfaller von der Staatsanwaltschaft Regensburg bestätigte, dass von den Durchsuchungen auch Gebäude betroffen waren, deren Eigentümer oder Mieter rechtsextremen Kreisen zuzuordnen sind. Doch diese Erkenntnis habe sich erst im Laufe der Ermittlungen ergeben. Bei vier Personen, so die Polizei, fand man Nazipropagandamaterial, SS-Abzeichen und Ähnliches.

Möglicherweise kommt man so endlich zur Erkenntnis, dass Nazinetzwerke eng verflochten sind mit Blood&Honour-Banden - und sei es über Teile der »Motorradszene«. Beide wiederum sind Bestandteil der globalen Organisierten Kriminalität. Vielleicht kann das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF) den deutschen NSU-Ermittlern helfen, den provinziellen Blick zu weiten. Stephen K. Martin, ein Top-Agent der US-Bundespolizei, weiß ziemlich genau, welches MC-Chapter oder -Charter weltweit mit wem welche Beziehungen unterhält. Seine Telefonnummer ist beim Bundeskriminalamt bekannt.

Bisweilen ist es jedoch viel einfacher, Beziehungen zwischen motorisierten »Ledernacken« und rechtsextremistischen Strukturen zu erkennen. Beispiel Sascha Roßmüller. Der gehört der Führungsriege des Regensburger Bandidos-Chapters an. Seit 1996 übernahm er Führungsfunktionen in der Landes- und der Bundes-NPD sowie im Jugendverband JN. Roßmüller bekommt Geld von der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, denn offiziell ist er ihr Berater.

In letzter Zeit lässt er sich dem Vernehmen nach dort aber kaum noch blicken. Womöglich, weil es in der Fraktion knirscht? Doch nicht nur dort verweigern viele Rechtsaußentypen Holger Apfel, dem Fraktionschef, der zugleich NPD-Bundesvorsitzender ist, die Gefolgschaft. Streit herrscht vor allem in der Frage, wie sich die Partei angesichts permanenter Enthüllungen zum NSU-Terror verhalten soll.

»Genauso reflexartig, wie die politische Klasse der BRD nun ein NPD-Verbotsverfahren öffentlich diskutiert, reagiert auch der Parteivorstand in seiner Mehrheit auf die gezielten Kriminalisierungskonstrukte. Allerdings nicht mit den gebotenen Angriffen auf das System und seiner linken Scheißhausmedien selbst, sondern mit hektisch-planlosen Repressionswellen innerhalb der eigenen Partei«, war unlängst im »Freien Netz Süd«, dem »Widerstandsportal für Bayern, Franken, Schwaben und die Oberpfalz« zu lesen.

Auch dort stellen sich Hardliner gegen Apfels Weisung, allzu gewaltbereite Aktivisten von Rednerpulten fern zu halten. Betroffen ist davon Martin Wiese, der im Zusammenhang mit einem 2003 geplanten Sprengstoffattentat seiner rechtsterroristischen »Schutzgruppe« auf das Jüdische Zentrum München verurteilt wurde. Vor gut einem Jahr kam Wiese frei. Seither versucht er erfolgreich, rechtsextreme Gruppen zu einen - unter dem Dach des »Freien Netz Süd«.