nd-aktuell.de / 10.03.2012 / Kultur / Seite 26

BLOGwoche: In der ersten Reihe

Roberto De Lapuente

Das Konzept der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme ist Kopieren. Sie sind ein Verbund loser Sendekonzepte, deren Ideen von der privaten Konkurrenz aufgeklaubt sind. Ein Flickwerk an Konzeptionen, die schon im Privatfernsehen peinlich sind, aber bei ARD und ZDF, in der ersten Reihe, in unermessliche Peinlichkeit gesteigert werden. Das liegt unter anderem an der Diskrepanz zwischen dem eigenen Anspruch, seriöses Fernsehen bieten zu wollen - und dem Rückgriff auf Konzepte, die aus dem anspruchslosen Repertoire noch weniger seriöser Sender stammen. Das seriositäts- und feierlichkeitsschwangere Getue des öffentlich-rechtlichen Moderationspersonals tut sein übriges.

Im öffentlich-rechtlichen Abklatschfernsehen geht es zu wie im Privatfernsehen - nur in klientelgerechter Entschärfung, damit Oma keinen Herzanfall erleidet. So spielt selbst die Volksmusik und der seichte Schlager nicht einfach nur auf - beim Winterfest der springenden Stars betätigen sich GEZ-Gesangesbarden sportlich und hüpfen unter tosenden Applaus in Kissen. Stefan Raab, ick hör dir trapsen! Action kommt gut an - Prominente in Action noch besser.

Und Action ist, was die jeweilige Kundschaft als solche anerkennt. Bei Pro 7 braucht man das Zehnmeterbrett - bei Silbereisen reichen anderthalb Meter Sprungschanze mit drei Meter dicker Kissenunterfütterung. Oder der Chef macht es selbst und rennt wie bekloppt über in Reihe gestellte Herdplatten - barfuß immerhin, vor den Augen seiner Freundin (angeblich Sängerin); kurz danach tremoliert Semino Rossi und ertrinkt dabei in seiner obligatorischen Pfütze aus Olivenöl.

Selbst die Titel der einzelnen Talkshow-Folgen erinnern mehr und mehr an private Sternstunden der Talkeritis. Plasberg fragte kürzlich: »Die Fitness-Religion - gehören Pummel an den Pranger?« - bei Bärbel Schäfer hieß es damals ähnlich, da rief man »Ich werde immer fetter: Bärbel hilf mir, ich bin schwanger und morgen ist auch noch ein Tag!« Und wer es anspruchsvoller mag, der zappt zu Maischberger und harrt einer Antwort auf die Frage: »Die Schnorrer-Republik: Sind wir alle ein bisschen Wulff?«

Der Autor ist Publizist und betreibt das Weblog ad sinistram; zum Weiterlesen: www.ad-sinistram.blogspot.com[1]

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