nd-aktuell.de / 13.03.2012 / Kultur / Seite 16

Bühne, Bilder, Farbe

Ausstellung für Kilger

Eberhard Keienburg
Kilger
Kilger

Berlin in den 50er und 60er Jahren - eine faszinierende Konstellation! Am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble, wenige Straßen voneinander entfernt, bestimmen parallel zwei bedeutende, sehr unterschiedliche Chefbühnenbildner die Szene: am DT Heinrich Kilger (bis zu seinem, Tod 1970), am BE Karl von Appen (gestorben 1981). Beide im linken Widerstand gegen Hitlerregime und Krieg geformt, beide gleich im Willen, Klarheit des Denkens auf die Nachkriegsbühne zu bringen, beide in subjektiver Handschrift und Arbeitsweise. Beide Ruhe- und Unruhepole in einer Zeit der Kunstdiskussionen: Realismus - Formalismus, Form - Inhalt, Brecht - Stanislawski. Beide wie in Idealkonkurrenz - jahrzehntelang dialektische Antipoden der Szenografie: von Appen als Partner Brechts und später Wekwerths, Kilger in vielen Inszenierungen Wolfgang Langhoffs.

Appen: immer konzeptionell orientiert mit ganz selbstverständlich wirkender künstlerischer Vernunft, oft penibel durchgestaltete Blätter, hin zu teilweise sensationellen Welt- Modellen fürs Theater.

Kilger: bei Charkow schwer kriegsverletzt, mit fröhlicherem Temperament, mit leichterem Pinsel, auf seine Weise mit oft ungewohnten Bühnenentdeckungen: Lessings »Minna« mit den Spuren des Siebenjährigen Krieges, Schillers »Tell« mit metallisch glänzender Felsenwand.

Seine späten Lösungen beweglich mit der spielerischen Überlegenheit alles flüchtigen Theaters: aus dem Schnürboden fliegende Tempel und Wolken im »Frieden« von Hacks/Aristophanes (Regie: Benno Besson 1962), in Unordnung zerreißende Podestsymmetrie für den Leipziger »Faust« (Regie: Karl Kayser 1965), leicht hereinfahrende Kulissenwelt für Lessings »Nathan« (Regie: Friedo Solter 1966) - Vorschläge mit internationalem Furore.

Aber: Herkunft und Wurzel ist für Heinrich Kilger von Beginn an seine Malerei. Seine Tagebücher spiegeln unentwegt seine Kampfthemen: Farbe, Licht, Schatten, Abbild, Erlebnis. 1936: »Wann werde ich in meinen Bildern meine Vorstellungen restlos gestalten können?« 1937: »Durch die Farbe den Dingen gleichsam die Haut abziehen« 1945: »Das Leben ertrage ich nur auf die Dauer, wenn ich malen kann.«

Hart aneinandergesetzte Farbflächen der Architektur, Hell und Schatten erinnern mich an die Neue Sachlichkeit Karl Hofers - immer wieder scheinen sie auch durch in Kilgers oft beschwingten Szenen- und Figurinenblättern.

Ja: damals malten Bühnenbildner noch! Salut für Heinrich Kilger!

  • Eberhard Keienburg war von 1974 bis 2001 Ausstattungsleiter des Deutschen Theaters
  • Heinrich Kilger - Malerei, Zeichnung. Galerie Grünstraße 16 in Berlin-Köpenick. Bis 11. April.