nd-aktuell.de / 14.03.2012 / Kultur / Seite 32

Inzest und Feuertod in Oberbayern

CHRISTOPHER KLOEBLE: »Meistens alles sehr schnell«

Karin Klis

Der erst 30-jährige Christopher Kloeble hat sich schon mit größeren Arbeiten der Öffentlichkeit bekannt gemacht: mit dem Roman »Unter Einzelgängern«, dem Erzählungsband »Wenn es klopft«, dem Spielfilm »Inklusion«, für den er das Drehbuch schrieb. 2010 trat er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb an. Jetzt kommt sein zweiter Roman bei dtv. Für »Meistens alles sehr schnell« hat er sich ein vielfach verrätseltes Jungmännerschicksal ausgedacht, dem hochkomplizierte blutsverwandtschaftliche Verhältnisse zugrunde liegen.

Die größte Grausamkeit Gottes sei nun mal, jedem Menschen eine Familie aufzuzwingen, heißt es im Text. Es ist dieser Gedanke, der den Autor reizt, den er fantasiereich, gelegentlich pointiert, meist aber zu weitschweifig durchexerziert. Manchmal glaubt man einen gewissen Schalk hinter seinem Spiel mit dem Entsetzen zu erkennen, das wäre nicht der schlechteste Zugriff. Jedenfalls stürzt sich Christopher Kloeble mit Vergnügen auf all die verklemmten Figuren, die den unbeschwerten Aufwuchs seines Helden Albert torpedieren. Das in Unwissenheit gehaltene Kind ist allerdings klug, zäh und ziemlich eitel. Von klein auf quält es seine Umgebung mit der einen Frage: der nach der verschwundenen Mutter mit den roten Haaren. In den paar Monaten, die Vater Fred noch zu leben hat, will der inzwischen zum Jüngling gereifte Albert das geklärt wissen. Doch der geistig zurückgebliebene Fred gibt sich ahnungslos. Zwar zählt er penibel alle grünen Autos auf der Dorfstraße, rettet zwei Leuten todesmutig das Leben und stülpt sich eine Taucherbrille über, wenn es regnet. Er versteht sogar mit Lexika umzugehen. Aber mit Frauen?

Obwohl sich die Anzahl der dahingeschiedenen wie lebendigen Romanfiguren in Grenzen hält, fühlt man sich am Ende, wenn die ausufernden Erzählstränge endlich zusammengeführt und alle Schicksalsfragen geklärt sind, erschöpft. (Wer war denn nun wer und welche Begebenheit hing eigentlich mit welchem Vorvorereignis zusammen?) Das überrascht nicht bei knapp vierhundert Seiten und hundert Jahren Familiengeschichte, die mit geschwisterlichem Inzest in Oberbayern beginnt, den Verbrennungstod auf Verlangen sowie weitere abseitige Liebestragödien in sich einschließt und mit einem schaurigen Vater-Mutter-Kind-Tableau auf der Pflegestation endet. - Keine Frage, Christopher Kloeble schreibt unterhaltsam: lockerer bis frecher Ton, drastisch-surreale Szenerien, die im Gedächtnis bleiben. Aber einige Straffungen wären dem Roman gut bekommen.

Christopher Kloeble: Meistens alles sehr schnell. Roman. dtv. 380 S., br., 14,90 €.