nd-aktuell.de / 16.03.2012 / Politik / Seite 15

Es geht um mehr

Hand-Gerd Öfinger

In den Tarifauseinandersetzungen für den öffentlichen Dienst stehen die Zeichen auf Verhärtung. Eine neue Warnstreikwelle steht an. Angesichts der Forderung nach 6,5 Prozent Einkommensplus, mindestens aber 200 Euro, bei einer zwölf-monatigen Laufzeit ist das magere Arbeitgeberangebot von rechnerisch 3,3 Prozent in zwei Stufen und 24 Monaten Laufzeit eine Frechheit.

Schon bei der ersten Streikrunde wurde eine hohe Kampfbereitschaft deutlich. Auch wenn viele Berufspendler oder Nutzer öffentlicher Einrichtungen vom Streik getroffen wurden, waren Zuspruch und Verständnis in der Bevölkerung vielfach höher als erwartet.

Der jahrelange schrittweise Reallohnverlust für viele Beschäftigte hat eine kritische Schwelle erreicht. In manchen Ballungsgebieten fühlen sich auch »Normalverdiener« im öffentlichen Dienst durch steigende Mieten und Wohnungsknappheit an den Rand gedrängt. Die Stimmung ist gereizt. Ängste vor sozialem Abstieg und Altersarmut nehmen zu. Sie sind der Nährboden für die über Nacht populär gewordene Forderung nach Ehrensold für alle.

Der Blick nach Griechenland zeigt, wie rücksichtslos eine Regierung unter dem Berliner Diktat auch mit ihrem öffentlichen Dienst und Arbeitnehmerrechten umgehen kann. »Warum den Banken hohe Milliardensummen zuschieben und die griechischen Kollegen bluten lassen«, gibt ein ver.di-Funktionär die Stimmung an der Basis wieder.

Vergessen wir nicht, dass »leere öffentliche Kassen« kein gottgewolltes Naturereignis sind, sondern von Menschenhand gemacht. Einer Gesamtverschuldung der öffentlichen Kassen von über zwei Billionen Euro steht hierzulande ein Nettoprivatvermögen von 7,4 Billionen Euro gegenüber. Allein das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt davon 4,7 Billionen Euro oder 63 Prozent. Geld ist also genug da.

Falls nicht doch noch hinter den Kulissen ein kritikwürdiger Deal eingefädelt wird, wäre ein großer Erzwingungsstreik spätestens im Mai möglich. Bis dann ist auch die Friedenspflicht für die Metall- und Elektroindustrie abgelaufen. Somit könnte der 1. Mai der Auftakt für einen Schulterschluss von Metallern und öffentlichem Dienst sein und auch die Landtagswahlen überschatten. Worauf warten wir noch?