Biker bis zum Schluss

Ein hessischer Bestatter bietet das letzte Geleit per Motorrad an - das Echo auf die Idee ist geteilt

  • Frank Christiansen, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Jörg Grossmann aus Hessen hat sich einer kuriosen Idee verschrieben: Er bietet passionierten Motorradfahrern nach deren Ableben die letzte Fahrt auf dem heißen Ofen - mit dem Sarg im patentierten Spezial-Beiwagen.

Düsseldorf. Als Jörg Grossmann (48) auf dem schweren, schwarzen Kawasaki-Gespann langsam zum Nordfriedhof in Düsseldorf rollt, hat er einen stummen Begleiter neben sich. Im speziell angefertigten Beiwagen ruht hinter Kunststoffglas gut sichtbar ein Sarg. In ihm liegt Siggi A., zu Lebzeiten begeisterter Biker. »Das war die Jungfernfahrt - die erste Motorrad-Bestattung in Deutschland«, sagt Grossmann, der dem Toten vor wenigen Tagen das letzte Geleit gab.

Staunen, ungläubige Blicke, Kopfschütteln, Begeisterung: Die Bestattung per Motorrad hat die Passanten in zwei Lager gespalten. »Dat is 'ne jute Sache«, habe ihm ein Autofahrer zugerufen, berichtet Grossmann. Andere haderten mit der Pietät. Seinen Service bietet Grossmann vom hessischen Usingen bei Frankfurt am Main aus mit örtlichen Bestattern bundesweit für 1200 Euro an.

»Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden«, sagt Rolf Lichtner, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Bestatter in Düsseldorf. »Wir beobachten einen Trend zur individuellen Bestattung. Die Bestattung per Motorrad ist eine Möglichkeit - es gibt inzwischen auch Bestattungsfahrten per Lkw.« Lichtner ist lediglich gegen »Schaufahrten« mit dem Toten etwa über die Düsseldorfer Königsallee. Es sollte bei der Überführung zum Friedhof bleiben.

Den Anstoß für Grossmann gab ein Erlebnis 2009 in Arizona/USA. Der 48-Jährige wurde zufällig Zeuge einer Motorrad-Bestattung, wie es sie in den USA massenhaft und auch in England schon häufig gibt. 400 Motorradfahrer begleiteten damals mit ihren schweren Harleys einen der ihren auf seiner letzten Fahrt. Der fuhr im Sarg-Gespann vorneweg.

»Das hat mich emotional sehr berührt«, gesteht Grossmann. Er fährt selbst seit drei Jahrzehnten Motorrad und rechnet vor: »Statistisch gesehen sterben in Deutschland jedes Jahr 38 000 Motorradfahrer - die allermeisten altersbedingt.«

In England beerdigt sein Vorbild und Ideengeber rund 50 Biker pro Monat. Als Motorradfan weiß Grossmann um die Leidenschaft seiner Klientel: »Wenn ich zu Lebzeiten jede Fahrt mit dem Motorrad erledigt habe, warum nicht auch die letzte?« Seinen Job als Vertriebsleiter einer Versicherung hat er an den Nagel gehängt und sich ganz seinen Bestattungsfahrten verschrieben.

Inzwischen haben Bestatter bundesweit seine Sonderfahrt ins Programm genommen, der größter Bestatter der Schweiz soll bald folgen. Bis es soweit war, musste der Mann aus dem Taunus 100 000 Euro in seine unternehmerische Idee stecken. So viel kostete die Entwicklung des Beiwagens mit Sargfläche, streng konform mit der Bestattungskraftwagen-Verordnung. Den Beiwagen hat er sich inzwischen patentieren lassen.

Das Gespann muss die Lasten eines 100-Kilo-Toten samt Sarg verkraften. Nach der Kawasaki kann dann ab Ende März auch eine Harley Davidson Deutschlands Friedhöfe anfahren. Das neue Gespann wiegt dann mit Sarg fast eine Tonne.

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