Was muss ein Auto können?

Durchschnittsalter eines Neuwagenkäufers liegt bei 50,8 Jahren

  • Thomas Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

Autohersteller kennen ihre Zielgruppen. Seit Generation beten Verantwortliche des Marketings im Rahmen jeder Autoneuvorstellung die wichtigsten Merkmale ihrer Wunschzielgruppe für ein neues Fahrzeug herunter, egal ob es sich um einen japanischen Kleinwagen, die deutsche Mittelklasse oder italienische Sport-Exoten handelt. Danach ist der künftige Kunde nicht älter als 25, akademische ausgebildet und promoviert. Er verfügt über ein Haushaltseinkommen ab 6000 Euro netto, sein Lebensstil ist freizeitorientiert, multikulturell und urban zivilisiert.

Dass dieses Wunschdenken mit der Praxis nichts zu tun hat, beweisen harte Zahlen. Eine Studie der Universität Duisburg-Essen hat 2010 das Durchschnittsalter deutscher Neuwagen-Käufer mit 50,8 Jahren ermittelt. Mercedes-Käufer waren danach 56,1 Jahre alt, BMW-Kunden 53,1 und Besitzer neuer Audis zählten immerhin noch 50,8 Lenze. Während der Anteil an Neuwagenkäufern unter 40 zwischen 2006 und 2010 von 23,3 auf 20,2 Prozent gesunken ist, wächst die »Generation 70+« unter den Neuwagenkunden deutlich. Bereits 2020 wird Studien zufolge jeder zweite Bundesbürger sechzig Jahre oder älter sein. Diese Generation verfügt nicht nur über die Mittel, sondern auch über die notwendige Zeit, Mobilität zu nutzen. Unverständlicherweise zeigt bis heute kein Fahrzeughersteller Mumm, Selbstvertrauen und Respekt vor seinen Kunden, in dem er besondere Aspekte seiner Modelle als »seniorengerecht« vermarktet.

Frisches Design, hohe Funktionalität und ein gutes Image fürs persönliche Prestige stehen ganz oben auf der Wunschliste. Darum sollte sich der Autokunde folgende Fragen grundsätzlich am Anfang des Entscheidungsprozesses für ein neues Auto stellen: Für welche Einsatzzwecke will ich mein Auto künftig verwenden? Soll das Gefährt nur als Kurzstreckenvehikel dienen oder auch regelmäßig für mehrere hundert Kilometer am Stück Komfort bieten? Wie viele Personen fahren mit? Wie viel Ladekapazität brauche ich? Senioren neigen trotz kleinem eigenen Haushalt dazu, beim Fahrzeugkauf den Transportbedarf für Kinder und Enkel eng in die Kalkulation einzubeziehen.

Ältere Menschen bevorzugen eine erhöhte Sitzposition. Die gewährleistet nicht nur ein bequemeres Ein- und Aussteigen. Auch die Übersicht auf das Fahrzeuggeschehen ist besser und das hilft wiederum beim Rangieren. Wenn das Alter die Gelenkigkeit reduziert, helfen beim Rangieren Einparkhilfen und Rückfahrkameras, die schon lange nicht mehr das Privileg der Ober- und Luxusklasse gelten.

Eine gute Ergonomie und ausreichend Verstellmöglichkeiten bei den Sitzen und dem Lenkrad qualifizieren jedes Fahrzeug, unabhängig vom Alter des Käufers. Eine wichtige Rolle spielen auch die Bedienkräfte der Komponenten. Natürlich ist ein Endsechziger, der noch jedes Jahr das goldene Sportabzeichen ablegt, per se in den Beinen kräftig genug, eine Feststellbremse mit kräftigem Tritt zu fixieren, eine elektrische Parkbremse erzielt den gleichen Effekt jedoch per bequemem Tastendruck.

Gern bestellen ältere Käufer ihr neues Gefährt mit Automatik, denn so lenkt einmal die Schaltarbeit weniger vom Verkehrsgeschehen ab. Doch auch die Entscheidung für den Schaltautomaten ist eigentlich weniger alterbedingter körperlicher Reduktion geschuldet als vielmehr der Vernunft. Moderne Schaltautomaten mit ihren elektronischen Steuerungen wechseln die Gangstufen schneller, präziser und Wirtschaftlicher als jeder Mensch. Auch der Blick auf die modernen Assistenzsysteme verdeutlicht: Hier zielen Empfehlungen weniger auf eine bestimmte Altersgruppe als vielmehr auf allgemeine Vernunftbegabung, Einsicht und Verantwortungsbewusstsein. Ein Kaufkriterium für ein neues Auto sollte beispielsweise eine Verkehrsschilderkennung sein, die die jeweils aktuell vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit ins Cockpit projiziert.

Autokäufer der »Generation 60+« sollten selbstbewust das Autohaus betreten. Wer bereit ist, eine mindestens fünfstellige Summe zu investieren, ist kein Bittsteller, sondern derjenige, der bestimmt, wo es beim Autokauf lang geht. Denn Autoträume kennen bekanntlich keine Altersgrenze.

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