nd-aktuell.de / 30.03.2012 / Politik / Seite 13

Thüringer Sonnensucher

Kommunen im Freistaat drücken aufs Tempo, um ihre geplanten Solaranlagen möglichst schnell fertig zu bekommen

Peter Althaus, dpa
Die von der Bundesregierung geplanten Einschnitte bei der Förderung von Solarstrom haben nicht nur die Industrie aufgeschreckt. Auch viele Kommunen fürchten um ihre Solarprojekte - zum Beispiel in Thüringen. Nun drücken sie aufs Tempo, um die Solaranlagen noch rechtzeitig fertig zu bekommen.

Gerstungen/Starkenberg. Die bisher lukrative Förderung von Solarstrom hat in einigen Thüringer Kommune Hoffnungen geweckt: Endlich gab es eine Möglichkeit, Brachflächen von Investoren nutzen zu lassen. Umso größer war der Schreck über die erneuten Kürzungspläne der Bundesregierung bei der Vergütung des Solarstroms.

Da es für große Solarparks aber Übergangsfristen geben soll, werden die Projekte in vielen Kommunen nun emsig vorangetrieben, ergab eine dpa-Umfrage. Über die umstrittene Kürzung der Solarsubventionen von 20 bis zu 30 Prozent in diesem Jahr sollte gestern der Bundestag entscheiden. In Thüringen gibt es mehr als 1700 Solaranlagen, die größte Anlage wird in Gotha auf einer Fläche von 30 Hektar betrieben. Weitere Solaranlagen sind unter anderem in Ronneburg (Kreis Greiz), Roßleben (Kyffhäuserkreis), Gerstungen (Wartburgkreis), Nobitz und Starkenberg ( beide Altenburger Land) sowie Eisenach geplant.

In Gerstungen ist Bürgermeister Werner Hartung optimistisch, dass die Anlage am ehemaligen Grenzbahnhof rechtzeitig fertig wird. »Wir sind guter Dinge, dass der Solarpark spätestens zum 30. Juni ans Netz gehen kann.« Auch in Starkenberg rechnet Bürgermeister Wolfram Schlegel mit einem pünktlichen Anschluss: »Wir denken, dass es klappt.« Die Solaranlage in dem Ostthüringer Ort ist mit 20 Hektar die größte, die noch in diesem Jahr in Thüringen ans Netz gehen sollen.

In Eisenach hingegen ist man sich nicht sicher, ob der Bau innerhalb der Fristen abgeschlossen wird. »Wir hoffen es«, sagte die Sprecherin der Stadtverwaltung, Janina Kay. Von den Kürzungsplänen der Bundesregierung lässt sich die Stadt Jena nicht abschrecken: Sie will auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie einen Solarpark ausschreiben. Allerdings gilt: »Wenn sich das Projekt nicht rechnet, dann werden wir auch nicht bauen«, sagte die Abteilungsleiterin Flächenverwaltung der Stadt, Katrin Höckrich. Die Kriterien müssten allerdings erst noch festgelegt werden. »Für uns rückt auch die Frage der Eigenversorgung in den Fokus«, sagte Höckrich.

Die schwarz-gelbe Koalition im Bund hat sich darauf verständigt, die bisherige Förderung für Freiflächenanlagen, die mit aufwendigen Planungsverfahren verbunden sind, bis 30. September zu erhalten. Damit soll die Übergangsfrist, bisher war der 30. Juni vorgesehen, um einige Monate verlängert werden.

Fachleute wie der Nordhäuser Energieexperte Viktor Wesselak gehen davon aus, dass die Nutzung der aus Solaranlagen gewonnenen Energie für den Eigenverbrauch wichtiger wird. Die Einspeisevergütung für Solarstrom, die in den vergangenen Jahren immer wieder gesenkt wurde, ist Eigenheimbesitzern oder Großinvestoren für 20 Jahre garantiert.

Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund erwartet nicht, dass Solarparkprojekte wegen der Kürzung der Einspeisevergütung abgesagt werden. »Aber wir gehen davon aus, dass die Unternehmen dann auf billigere Solarmodule chinesischer Hersteller zurückgreifen werden. Das würde natürlich zwangsläufig zu Arbeitsplatzverlusten bei den Thüringer Solarunternehmen führen«, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Bernhard Schäfer.

Die Landesentwicklungsgesellschaft LEG befürchtet, dass insgesamt weniger Solarparks gebaut werden. Besonders für die Kommunen sei das bedauerlich, erklärte Sprecher Holger Wiemers. »Mit der Nachnutzung von Brachflächen als Solarparks konnten viele städtebauliche Missstände beseitigt werden. Kann ein Solarpark nicht realisiert werden, bedeutet dies oft, dass die Brachfläche auch nicht anderweitig genutzt werden kann«, sagte Wiemers. Scheitern Projekte, entgingen den Kommunen die direkten oder indirekten Einnahmen aus einem Solarpark.

Noch sind die Messen aber nicht gesungen: Thüringens Landesregierung will die Kürzungen nicht tatenlos hinnehmen. »Das ist nicht zustimmungsfähig«, sagte Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) am Dienstag in Erfurt. Die CDU/SPD-Landesregierung hat angekündigt, dass sie in dieser Angelegenheit den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anruft.


Auswahl im Netz

Thüringen bietet alte Industriestandorte und Deponien als Standorte für Solarparks auch im Internet an. Das Portal, das im Auftrag des Wirtschaftsministeriums entstand, listet derzeit 29 Flächen auf, die insgesamt 130 Hektar umfassen. Nach aktuellem Technikstand könnten dort Anlagen mit einer Kapazität von 81 000 Megawattstunden gebaut werden. Das entspricht laut Ministerium dem Stromverbrauch von 29 000 Haushalten. (dpa/nd)