Muskeln vom Osterhasen?

  • Reinhard Renneberg, Hongkong, und JoJo Tricolor, Cherville
  • Lesedauer: 3 Min.
Zeichnung: Chow Ming
Zeichnung: Chow Ming

Muskeln statt Fett - durch Schokolade? Für die bevorstehenden Osterfeiertage eine frohe Botschaft. Solche Neuigkeiten können nur aus den USA, genauer dem fitness-besessenen Kalifornien, kommen. Das Augenmerk liegt dabei auf den Mitochondrien, den »Kraftwerken« der Zellen. In der Evolution waren das möglicherweise komplette Bakterien, die von höheren Zellen in Symbiose als »Energie-Haustiere« gehalten wurden. Je mehr gut funktionierende Mitochondrien ein Muskel enthält, desto leistungsfähiger ist er.

Forscher der University of California (UC) in San Diego stellten bei Patienten mit Herzfehlern und Diabetes Typ 2 fest, dass der Verzehr von Epicatechin-angereicherter Schokolade die Struktur der Mitochondrien verbesserte. Epicatechin ist ein in dunkler Schokolade vorkommender Stoff, dem schon in früheren Studien zugeschrieben wurde, er verringere die Anfälligkeit für Bluthochdruck und Herzkrankheiten.

Die fünf in San Diego betreuten Patienten hatten laut dem Fachblatt »Clinical and Translational Science« geschädigte Muskelzellen und Mitochondrien. Alle klagten über Atemnot bei körperlicher Anstrengung. Ein Vierteljahr lang nahmen sie nun täglich zusätzlich etwas bittere Schokolade und dazu ein Getränk mit etwa 100 Milligramm Epicatechin zu sich. Vor und nach dieser Behandlung wurden Biopsien der Skelettmuskeln genommen. Unter dem Elektronenmikroskop sind die Feinstrukturen gut zu erkennen: nach drei Monaten waren die Mitos wieder repariert und perfekt.

Die Wissenschaftler untersuchten anschließend in Testreihen mit Mäusen das Potenzial von dunkler Schokolade zur Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Eine Mäusegruppe bekam zweimal täglich zusätzlich eine kleine Dosis von flüssigem Epicatechin in Reinform, die Kontrollgruppe stattdessen die gleiche Menge Wasser. Und tatsächlich enthielten die Muskeln der »Epicatechin-Mäuse« Marker erhöhter mitochondrialer Gesundheit. Offenbar bewirkt Epicatechin Reaktionen in Skelett- und Herzmuskeln, die zu höherer Ausdauer führen.

Die Forscher der UC vermuten, dass bereits eine sehr kleine Menge ausreicht, um unsere Fitness zu steigern. Ja, ein Zuviel dieser Gaumenfreude kann sogar die positiven Eigenschaften des Epicatechins wieder zunichte machen. Schwierig, denn die menschliche Natur vermag wohl nur mit hoher Disziplin den Köstlichkeiten der Chocolatiers zu widerstehen: Selbst im Labor der UC San Diego gab es regelmäßig »Schwund« im Schokoladenlager. Die Mitarbeiter scherten sich anscheinend nicht um die Ermahnungen ihres Chefs, die wissenschaftliche Distanz zu wahren.

US-Zeitungen malen bereits aus, wie muskulöse junge Männer im Sessel lümmelnd vor dem Fernseher »therapeutisch« bittere Schokolade essen. Sie blenden dabei aus, dass Schokolade in Mengen dick macht und Bewegung auch psychisch gut tut.

Der Schokoladenfreund in mir würde nur zu gerne an diese Stärkungsmethode glauben. Nur: Fünf Patienten und Hunderte Mäuse sind noch kein wissenschaftlich wasserdichter Beweis. Aber vielleicht haben wir ja bis Weihnachten Klarheit.

Doch jetzt erst einmal: Frohe Ostern!

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