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Seniorin, Steine werfend

Mit 78 Jahren tritt die Göttingerin Elisabeth Dwenger regelmäßig bei Kraftsportwettkämpfen an

  • Kai Böhne, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Am vergangenen Wochenende fanden in Erfurt ungewöhnliche Wettkämpfe statt: die Deutschen Meisterschaften im Steinstoßen. Älteste Teilnehmerin war die 78-jährige Elisabeth Dwenger aus Göttingen.
Auch weiterhin aktiv: Elisabeth Dwenger, die auch mit Diskus und Kugel umgehen kann.
Auch weiterhin aktiv: Elisabeth Dwenger, die auch mit Diskus und Kugel umgehen kann.

Steinstoßen ist eine der ältesten Sportarten der Menschheit. Heute ist sie - neben Hammer- und Gewichtwerfen - eine Disziplin des Rasenkraftsports, und die entsprechenden Deutschen Meisterschaften werden werden vom »Deutscher Rasenkraftsport- und Tauzieh-Verband« veranstaltet. An den jüngsten nationalen Meisterschaften im Jugend-, Erwachsenen- und Seniorenbereich, die am vergangenen Wochenende in Erfurt stattfanden, beteiligten sich über 300 Athleten aus 41 Vereinen. Erfolgreichster Verein war der örtliche Ausrichter, der Athletik Sportverein (ASV) Erfurt.

Der Alltag als Training

Älteste Teilnehmerin war die 78-jährige Elisabeth Dwenger, die für die Turn- und Sportvereinigung (Tuspo) von 1861 Göttingen an den Start ging. In ihrer Altersklasse - den über 75-Jährigen - war Dwenger die einzige Teilnehmerin. Daher startete sie bei den über 70-Jährigen und belegte dort einen beachtlichen fünften Rang. Dwenger stieß den Drei-Kilo-Stein 7,20 Meter weit.

Das Wettkampfgerät, der Stoßstein, hat die Form eines Ziegelsteins und wiegt je nach Gewichts- und Altersklasse zwischen drei und 15 Kilogramm. Die Kraftsportler versuchen den Stoßstein mit einem etwa zehn Meter langen Anlauf, aus einer optimalen Geschwindigkeit, einarmig möglichst weit hinaus zu stoßen. Elisabeth Dwenger war früher als Leichtathletin aktiv, mit zunehmendem Alter verlagerte sie ihren sportlichen Schwerpunkt auf den Rasenkraftsport. Daneben betätigt sie sich weiterhin in den Leichtathletikdisziplinen Kugelstoßen sowie Diskus-, Speer- und Hammerwurf.

2008 holte Dwenger bei der Deutschen Seniorenmeisterschaft in Schweinfurt zwei Titel. In ihrer Altersklasse W75 gewann sie das Kugelstoßen und den Diskuswurf. Für ihre sportlichen Erfolge und ihren engagierten Einsatz zeichnete Tuspo Göttingen die seit 1976 lizenzierte Kampfrichterin im März 2011 mit der Ehrenmitgliedschaft aus.

»Ich bin kein ehrgeiziger Trainingstyp, ich habe keine festen Trainingszeiten«, erklärt die Seniorin. »Mein Alltag hält mich in Bewegung.« Ihre täglichen Einkäufe und Besorgungen erledigt Dwenger mit dem Fahrrad. Außerdem bewirtschaftet sie noch einen 400 Quadratmeter großen Garten beim Kleingärtnerverein Wiesengrund in Göttingen. »Wenn ich dort mit der Schubkarre arbeite, ist das Training genug«, meint die Seniorin. Zusätzlich trainiert sie gelegentlich auf dem Werferplatz hinter dem Jahnstadion.

Elisabeth Dwenger wurde 1933 in Stettin, dem heutigen Szczecin in Polen, geboren. Als junge Frau im Nachkriegsdeutschland hatte sie keine Zeit für den Sport. Es gab wichtigere Dinge: Schulabschluss, Berufsausbildung und Familienplanung. Anfang der 1950er Jahre absolvierte sie eine Ausbildung zur Geflügelzuchtgehilfin.

Start in Helsinki?

Ihr Ehemann, Helmut, war Zimmermann. Seit 1964 wohnt Familie Dwenger in Göttingen. Helmut Dwenger hat den Wohnblock, in dem er für seine Familie eine 4-Zimmer-Wohnung erhielt, selbst mit hochgezogen.

Mit 23 Jahren heiratete das Paar, Elisabeth wurde Hausfrau und zog drei Söhne und eine Tochter groß. Als junge Mutter begleitete sie ihre Kinder zum Sport: Leichtathletik und Volleyball. Für den eigenen Sport blieb kaum Zeit. Erst mit Anfang 40, als die Kinder ihrer Betreuung nicht mehr bedurften, begann Elisabeth Dwenger mit dem Rasenkraftsport.

Seit 1979 hat die Athletin auch an zahlreichen internationalen Wettkämpfen teilgenommen. Bei 15 Welt- und elf Europameisterschaften der Senioren ging sie an den Start. Ihr Sport führte Elisabeth Dwenger nach Schweden, Polen, Spanien, Südafrika, Japan, Australien, Neuseeland und in die USA.

Drei Ziele hat die agile Seniorin: »Meinen Schrebergarten möchte ich gern noch zehn weitere Jahre bewirtschaften«, sagt sie. »Ein Wettkampf in Russland und im Anschluss eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn wäre mein Traum.«

Am 27. Juni beginnen in Helsinki die Leichtathletik-Seniorenmeisterschaften. »Wenn meine Rente für Anfahrt und Unterkunft ausreicht, würde ich dort gerne starten«, wünscht sich die tatkräftige Sportlerin.

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