Kaputte Brennelemente

Atomkraftwerk Brokdorf bleibt vorerst abgeschaltet

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Wegen Problemen mit Brennelementen steht das AKW Brokdorf still. Die Stromversorgung Hamburgs läuft bislang reibungslos - dank hoher Einspeisung durch Windkraftwerke.

Das am vergangenen Mittwoch störfallbedingt abgeschaltete Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein ist entgegen ersten Ankündigungen am Wochenende noch nicht wieder ans Netz gegangen. Der Reaktor war wegen beschädigter Teile heruntergefahren worden. Bei einer Inspektion hatten Techniker in Brennelementen, die sich im Abklingbecken befanden, gebrochene Niederhaltefedern entdeckt.

Die Brennelemente verfügen über jeweils acht solcher Federn. Sie sollen die Brennelemente beim Betrieb der Anlage fixieren, indem sie bei Wärmeentwicklung deren Ausdehnung auffangen. Die Brennelemente, an denen die schadhaften Federn festgestellt wurden, waren nach Angaben des Betreibers E.on nicht im Reaktor im Einsatz. Dort befänden sich aber Brennelemente der gleichen Charge; deshalb müsse nun geklärt werden, ob auch diese Schäden aufwiesen. Die Aufsichtsbehörde - in diesem Fall das schleswig-holsteinische Justizministerium - schickte Sachverständige zur Klärung in das Kraftwerk in der Wilster Marsch. Die Untersuchungen dauerten am Wochenende noch an.

Auswirkungen auf die Stromversorgung Hamburgs hat der Ausfall von Brokdorf nicht. Zwar gibt es nach Darstellung des regionalen Netzbetreibers 50Hertz nur aufgrund der Jahreszeit und der hohen Stromeinspeisung durch Windkraftwerke keine Engpässe. Doch sollten diese Warnungen nicht allzu Ernst genommen werden: Der Netzbetreiber wurde 1982 als Tochter des AKW-Betreibers Vattenfall gegründet, der einen 20-Prozent-Anteil an Brokdorf hält.

Grüne und Atomkraftgegner fordern wegen des jüngsten Vorfalls, das Atomkraftwerk schneller als geplant dauerhaft abzuschalten. »Das Funktionieren eines Atomkraftwerkes kann niemand garantieren«, sagte der Energieexperte der Grünen-Landtagsfraktion, Detlef Matthiesen. »Es besteht immer die Möglichkeit nicht vorhersehbarer Ereignisse und Verkettung von Umständen, die bislang als Restrisiko galten«. Nach bisherigem Stand darf das 1986 in Betrieb genommene Kraftwerk gemäß dem schwarz-gelben Atomausstieg noch bis 2021 am Netz bleiben.

»Wenn das AKW heruntergefahren werden muss, um nachzusehen, ob Brennelemente mit gebrochenen Niederhaltefedern im Reaktorkern im Einsatz sind, so wird deutlich, dass diese nicht vorher überprüft wurden«, so Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation »Ausgestrahlt«. Vor diesem Hintergrund das Kraftwerk in Brokdorf noch neun Jahre zu betreiben, sei ein nicht hinnehmbares Risiko für Schleswig-Holstein und den Großraum Hamburg. »Wir erwarten an dieser Stelle eine klare Aussage der schleswig-holsteinischen SPD, wie sie sich die Zukunft des Reaktors vorstellt, wenn sie nach der Landtagswahl regieren sollte«, sagte Stay weiter. Im Wahlprogramm komme Brokdorf gar nicht vor. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob solche schadhaften Brennelemente auch in anderen Reaktoren in Deutschland im Einsatz seien.

»Eine Laufzeit von mehr als zehn weiteren Jahren ist absolut inakzeptabel«, meint auch Jan Becker vom Internet-Infodienst »Contratom«. Der Meiler in Brokdorf sei störanfällig wie kein anderer, die Entsorgung von Atommüll sei ungeklärt und könne auch Ursache für Krebskrankheiten nicht ausgeschlossen werden. Wie aus Zahlen des Krebsregisters hervorgeht, hat die Krebsrate in der benachbarten Gemeinde Wewelsfleth von 2001 bis 2008 um bis zu 50 Prozent über dem Landesdurchschnitt gelegen. Inzwischen ist sie wieder auf ein normales Niveau gesunken. Neben dem AKW stehen auch Farbreste einer Werft als möglicher Auslöser der Krankheiten im Verdacht. Während E.on einen Zusammenhang mit dem Kraftwerk Brokdorf kategorisch ausschließt, kündigten das Sozialministerium in Kiel und die Strahlenschutzkommission weitere Untersuchungen an, um die deutlich erhöhten Krankheitszahlen und das plötzliche Absinken aufzuklären.

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