nd-aktuell.de / 02.04.2012 / Kultur / Seite 4

Trotzig

Hannes Wader erhält den Weltmusikpreis RUTH des Musikfestivals Rudolstadt

Hans-Dieter Schütt

Er hat beim Singen den Aufblick: Das ist der Kontakt zum Ideenhimmel. Hoch und hinaus. Kommunismus, ein anderes Wort für Frühling. Kommt, aber bleibt nicht - so muss man Geschichte sehen. Er hat in allem Vorangang die Gitarre aber nie als ein Steigbügel benutzt, der in Selbstsicherheiten führt, in Überhebungsposen - weil man etwa das richtige Lied zur richtigen Zeit singt und ausdauernd die Massen begeistert.

Waders Gesang war stets Bekenntnis zur Brüchigkeit, zur Bewegung, die jung hält, aber heimatlos macht. Er hat im Ton etwas kräftig Plebejisches, das im Drängen doch nie unsanft wird. Sein Folk konnte sich von Beginn an mit US-amerikanischen Vorbildern auf eine Bühne stellen, er strahlte Entschiedenheit aus, die sich jedoch nie als Gegensatz zur suchenden Empfindsamkeit verstand.

1942 wird er in Bethel bei Bielefeld geboren, Hans Eckard Wader, Sohn eines Landarbeiters und einer Putzfrau. Seine Laufbahn als Dekorateur in einem Schuhgeschäft endet wegen »Musizierens während der Arbeitszeit«. Fortan musiziert er nur noch und macht dies zur Arbeitszeit. Lebenszeit. So kommt man an den Punkt, für ein Lebenswerk geehrt zu werden.

Auf Podien und Bühnen ist er ergraut, Shanty um Shanty, Volkslied um Volkslied, Arbeiterlied um Arbeiterlied; viel deutsch, viel englisch, mit den Jahren mehr und mehr plattdeutsch. Tournee um Tournee wurde er zum großen Sänger des besseren Lebens in einem besseren Land. Vierzehn Jahre DKP-Mitgliedschaft, dann bekannte er sich zu seiner Müdigkeit, nur immer auf jener richtigen Seite zu stehen, wo die Dinge nicht nur klarer, sondern eben auch einfacher gesehen werden.

Mit der Nähe zu Brassens und Dylan hat er musikalisch begonnen, blieb trotz forschen Songs ein Chansonnier der Lieblichkeit - und mehr und mehr ging er auf in der Poesie der Traurigen, Frechen, Skeptischen, Romantischen, also der wahren Weisen. Bellman, Eichendorff, Schubert. Er kennt den vollen Saal und den kleinen Kreis. Er hat für Trotzige und Trostlose gesungen. Wenn er singt, denkt man an ehrliche Arbeit, ans ehrliche Herz.