Edel und elegant

New York City Ballet

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Vorstellungen sind Ereignis: Letztmals gastierte das New York City Ballet 1980 in Berlin. Die Kosten für eine neuerliche Begegnung nun in Ludwigshafen und Baden-Baden ermöglichte die BASF der 1948 formierten New Yorker Renommiertruppe. In den USA gilt als Nonplusultra, was ihr Gründergenius George Balanchine für sie kreierte: handlungslose Ballette von hoher Musikalität zu Kompositionen klassischer Meister. Sie bilden das Rückgrat im Repertoire der 90 Tänzer zählenden Compagnie.

Geleitet wird sie seit dem Tod des Stilbildners 1983 von dem Dänen Peter Martins, gemeinsam mit Jerome Robbins, dem anderen bedeutenden Choreografen, seit 1990 alleinig. Legionen erster Tänzer hat die Truppe etablieren können. Mit vier Perlen präsentierte das Ensemble einen historischen Querschnitt und den Blick auf das, was daheim als ballettheilig verehrt wird.

Mozarts »Divertimento No. 15« lieh auch der choreografischen Umsetzung den Namen. Balanchine setzt es als Reverenz an seinen Lehrmeister Marius Petipa in Szene, und wären da nicht jene balanchinesk bewegten Oberkörper, könnte Petipa der Autor sein. Vor blauem Hintergrund entwickelt sich, auf Spitze und in Tutus für die Damen, ein ziseliertes, fröhliches Spiel zwischen den Paaren, technisch auf hohem Niveau, mit raumgreifenden Passagen, Wickler und Kreuzhand als Folklorezitaten, formvoll und erfinderisch.

Edel und elegant servieren Solisten und acht Gruppendamen einen Stil, den sie perfekt beherrschen. Funkelnd leuchtet die »Tarantella« zu Musik Louis Moreau Gottschalks auf: ein vor Temperament überbordender Paarflirt mit Tamburin und Schrittgut jenes sizilianischen Volkstanzes, angereichert durch knifflige Variationen. Megan Fairchild, Daniel Ulbricht bleiben in der geballten Viertelstunde nichts an Präzision und guter Laune schuldig.

Auch die fast maschinenhaft korrekte, abstrakt funktionierende »Symphony in Three Movements« zu einer Vorgabe Strawinskys beeindruckt gut 20 Minuten lang durch ihre formale Strenge und Balanchines unversiegbaren Forschergeist, steht indes als rein physisches Konstrukt ohne Versuch einer Werkdeutung. Anderthalb Dezennien Suche im selben Stil liegen zwischen »Divertimento« und der 1972 uraufgeführten »Symphony«. Wohin sich Balanchines neoklassischer Tanz in Europa entwickelt hat, so bei Kylián, Forsythe, Duato, nimmt Amerika ungern zur Kenntnis.

Sternstunde bleibt ein Werk von Jerome Robbins. Seine 1969 geformten »Dances at a Gathering« zu 18 Walzern, Mazurken, Etüden Chopins wirken 60 Minuten lang wie ein emotionaler Befreiungsschlag von der rein technischen Versiertheit seines Kollegen. Zehn Tänzer fahnden darin heiter, gelöst, auch sehnsuchtsvoll dem richtigen Partner nach. Virtuos und rasant, dabei schlicht und berührend - ein Meisterwerk.

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