Genuss und bessere Welt

»Fair Handeln« und »Slow Food« sind ungewöhnliche Messen

  • Gesa von Leesen
  • Lesedauer: 3 Min.
Genuss und gutes Gewissen - darum dreht es sich derzeit alles auf zwei Messen in Stuttgart, die am Sonntag zu Ende gehen.
Design-Keramik aus Südafrika in Halle 3 der Messe »Fair Handeln«
Design-Keramik aus Südafrika in Halle 3 der Messe »Fair Handeln«

Im Gegensatz zur Grünen Woche in Berlin müssen die Aussteller der beiden Messen »Fair Handeln« und »Slow Food« nicht mit Gegendemonstranten rechnen. Beide Bereiche nehmen schließlich für sich in Anspruch, »nachhaltig« zu sein. Auf 5000 Quadratmetern präsentieren sich bei »Fair Handeln« insgesamt 136 Aussteller aus 13 Ländern. Hier werden bunte Blechlichter in Form von Hühnern aus Bali verkauft, Töpferware aus afrikanischen Ländern, Bananen aus Ekuador und Fernreisen.

Fairer Handel soll garantieren, dass die Erzeuger höhere Preise als sonst üblich bekommen und die Arbeitsbedingungen stimmen. Bei landwirtschaftlichen Produkten kommt immer stärker der ökologische Aspekt hinzu. 2010 wurden weltweit Fairtrade-Produkte im Wert von 4,3 Milliarden Euro verkauft, 26 Prozent mehr als im Jahr davor. Aktuell sollen im globalen Süden 1,2 Millionen Menschen vom fairen Handel profitieren.

Die Firma Elmer & Zweifel aus dem schwäbischen Bempflingen ist gerade dabei, sich für das Fairtrade-Siegel zertifizieren zu lassen. Das kleine Unternehmen verkauft unter dem Label Cotonea Baumwolltextilien wie Hemden, Bettwäsche und Handtücher. Bis zum Endprodukt ist der Weg lang, erklärt Firmensprecher Stefan Lemke: »Die Baumwolle beziehen wir aus Kirgistan und Uganda, die Spinnung erfolgt in der Türkei und Deutschland, gewebt wird in Tschechien, gefärbt in Deutschland, genäht in Tschechien, der Türkei und Bulgarien.« Lemke zufolge herrschen überall ordentliche Arbeitsbedingungen und die Baumwolle werde ökologisch angebaut, doch der Nachweis sei aufwendig. »Aber das Siegel ist natürlich bekannt und damit auch gut für den Verkauf.«

Außer den Händlern stellen auch Entwicklungshilfeorganisationen und Banken aus. Vier Kreditinstitute werben für ethische Geldanlagen. Das Geschäft boomt, sagt Angelika Stahl von der GLS-Bank in Bochum. »Wir zählen 2000 neue Kunden pro Monat, sind jetzt bei etwa 120 000 Kunden insgesamt.« Stahl ist überzeugt, dass dass »ethische« Bankmodell auf dem Vormarsch ist. »Immer mehr Menschen wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert, und sind nicht auf große Gewinne aus.« Zwischen zwei und vier Prozent bewege sich die Rendite bei der GLS, die dem Sektor der Genossenschaftsbanken angehört. »Und das reicht auch«, so Angelika Stahl.

Auch der Slow-Food-Bewegung, die über 150 000 Mitglieder in 150 Ländern, davon 11 000 in Deutschland, zählt, geht es darum, die Welt zu verbessern - und zwar mit Genuss, die nicht mit industriell erzeugten Lebensmitteln möglich sei. Die Verbraucher wollen wissen, wie ihr Schweinekotelett aufgewachsen ist, sie wollen alte Kartoffelsorten kochen können, die von großen Höfen nicht mehr angebaut werden, weil sie weniger Gewinn bringen. In der »Arche des Geschmacks« werden selten gewordene Nutzpflanzen und Nutztierarten vor dem Vergessen gerettet. »Slow Food ist keine Luxusveranstaltung«, betont Sprecherin Anke Klitzing. Gutes Essen sei im Ganzen gesehen nicht teurer als zum Beispiel Fertigprodukte. »Da bezahlen Sie viel für Verpackung, Zusatzstoffe und Fertigung, aber wenig fürs Essen selbst.« Wer regionale Produkte auf Bauernmärkten kaufe und die Jahreszeiten berücksichtige, gebe nicht mehr Geld aus.

Wer allerdings auf der Messe mit ihren 400 Ausstellern »schwäbische Austern«, also Weinbergschnecken, oder sizilianische Kirschtomatensauce kauft, muss schon tiefer ins Portemonnaie greifen. Das passende Motto dazu liefert ein älterer Herr, der Ziegenschinken aus dem Schwarzwald ersteht: »Grün einkaufen, rot wählen und schwarz arbeiten.«

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