Einsamer Ruf in der neoliberalen Wüste

In Buchform: Debatten um solidarische Bildung beim Institut Solidarische Moderne

  • Guido Sprügel
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Institut Solidarische Moderne (ISM) hat die Ergebnisse ihrer »Summer-Factory« zum Thema Bildung in Buchform veröffentlicht. Der Anspruch war, dem neoliberalen Kurs in der Bildungspolitik eine konsequent »Solidarische Bildung« entgegenzusetzen.

Das ISM ist ein Zusammenschluss von linken SPDlern, Grünen, Linkspartei und diversen NGOs und Gewerkschaftlern, die in Programmwerkstätten über solidarische Politikkonzepte nachdenken und ihre Ergebnisse in die gesellschaftliche Debatte einbringen wollen. In regelmäßigen »Summer-Factorys« treffen sich Politiker, Wissenschaftler, »fachkundige Laien« und »normale Bürger«, um über wechselnde Problemfelder zu diskutieren. Die Grenze zwischen »Laien« und »Wissenschaftlern« wird dabei bewusst aufgeweicht - das ISM nennt es »Crossover-Methode«. Die Ergebnisse der Summer-Factory 2010, die sich mit dem Themenaspekt der Solidarischen Bildung beschäftigte, liegen nun in Buchform vor. Unter dem Titel »Solidarische Bildung - Crossover: Experimente selbstorganisierter Wissensproduktion« sind rund 70 Autorinnen und Autoren mit Beiträgen vertreten.

Der Anspruch ist enorm: vom Kindergarten bis zur Hochschule wollen die Autoren dem gängigen Zeitgeist einer neoliberalen Bildungspolitik ihre Vision einer demokratischen Bildung entgegensetzen. Dem aktuellen Bildungssystem unterstellen sie zurecht, dass es zwar dem Anspruch nach demokratisch ist, in Wirklichkeit jedoch »der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheiten« dient. Damit haben die Autoren mit Sicherheit nicht Unrecht, denn auch Organisationen wie die OECD werfen der Bundesrepublik immer wieder vor, ein ungerechtes Bildungssystem zu haben. In der Textsammlung wird dem die Forderung nach einem sozial gerechten Bildungssystem entgegengesetzt, das jedem Bürger kostenlos zur Verfügung stehen muss.

Wer die »eine« Antwort erwartet, wird enttäuscht. Der Band versteht sich bewusst als Dokumentation der Diskussionen in den einzelnen Workshops. Die grobe Zielrichtung ist jedoch klar - Bildungseinrichtungen sollen wahrhaftige Orte der Demokratie werden, anstatt zunehmend zu Wirtschaftsunternehmen umfunktioniert zu werden. Statt Drittmitteleinwerbung in den Unis fordern die Teilnehmer der »Summer-Factory« Zeit für die Lehre, statt selektivem Schulsystem die »Schule für alle« - einschließlich der Auflösung der Gymnasien und Sonderschulen.

So löblich der Ansatz des ISM ist, dem neoliberalen Zeitgeist endlich einmal etwas entgegenzusetzen, so diffus bleibt die knapp 300 Seiten lange Tagungsdokumentation für Außenstehende. Für Teilnehmer der »Summer-Factory« mag dieser Sammelband durchaus eine spannende Lektüre sein, wenn man an den Diskussionen nicht beteiligt war, bleiben die zum Teil sehr kurzen Beiträge inhaltlich zu sehr an der Oberfläche und erscheinen oft zu plakativ. Darüber hinaus wird der Band dem Anspruch einer Kritik vom Kindergarten bis zur Uni nicht gerecht. Fast ausnahmslos alle Beiträge beschäftigen sich mit der Hochschulpolitik. Um den Think-Tanks der Kultusminister wie etwa der omnipotenten Bertelsmann-Stiftung etwas entgegenzusetzen muss man wahrscheinlich schon eine Ausgabe des Buches für alle Leser bereithalten.

Johannes Angermüller / Sonja Buckel / Margit Rodrian-Pfennig (Redaktion): Solidarische Bildung - Crossover: Experimente selbstorganisierter Wissensproduktion, VSA-Verlag, Hamburg 2012, 336 Seiten, 22,80 Euro.

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