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Evolutionskritik in der Schule

In den USA haben Kreationisten neuen Aufwind erhalten

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Der US-Bundesstaat Tennessee gehört traditionell zu den Hochburgen des Kreationismus. 1925 fand hier der berühmt-berüchtigte »Affenprozess« statt, bei dem der Lehrer John Thomas Scopes zu einer Geldstrafe von 100 Dollar verurteilt wurde, weil er im Biologieunterricht die Evolution des Menschen behandelt hatte. Kurz zuvor war in Tennessee ein Gesetz verabschiedet worden, wonach jedes Bekenntnis, »das die göttliche Geschichte, wie sie die Bibel lehrt, verneint, und stattdessen lehrt, dass der Mensch von einer niedrigen Ordnung von Lebewesen abstammt«, an öffentlichen Schulen untersagt war.

Zwar wurde das Urteil gegen Scopes wegen eines Formfehlers später aufgehoben. Allein das »Anti-Evolutionsgesetz« blieb in Tennessee bis 1967 in Kraft. Und auch danach gab es wiederholt Versuche, die Darwinsche Theorie aus dem Biologieunterricht zu verdrängen oder zumindest die Schöpfungslehre dort zusätzlich einzuführen.

Erst 1987 sprach der Oberste Gerichtshof der USA ein Machtwort, indem er feststellte: Der Kreationismus beruht auf religiösen Glaubenssätzen und darf somit wegen der verfassungsgemäßen Trennung von Staat und Religion im Fach Biologie an öffentlichen Schulen nicht unterrichtet werden.

Seitdem sind die Kreationisten in den USA und anderswo bemüht, ihre Thesen gleichsam durch die Hintertür in den Schulunterricht einzuschmuggeln. Und erneut gibt der Bundesstaat Tennessee hierfür ein schlechtes Beispiel. Seit einigen Tagen ist dort ein Gesetz in Kraft, das es jedem Lehrer erlaubt, »Schülern zu helfen, die Stärken und Schwächen von bestehenden wissenschaftlichen Theorien, die im Unterricht behandelt werden, zu verstehen, zu analysieren, zu kritisieren und objektiv zu beurteilen«. Im Grunde wäre dagegen nichts einzuwenden. Es genügt jedoch ein Blick auf die im Gesetz angeführten »schwachen« Theorien, um zu erkennen, welche ideologische Absicht hinter alldem steckt. Denn neben der Theorie vom chemischen, sprich natürlichen Ursprung des Lebens und dem Klimawandel wird namentlich die Darwinsche Evolutionstheorie so dargestellt, als sei sie lediglich eine Meinung unter vielen, an die man glauben könne - oder auch nicht.

Mit den Worten: »Die wissenschaftlichen Standards des Schulunterrichts werden durch das Gesetz nicht verändert«, versucht Bill Haslam, der republikanische Gouverneur von Tennessee, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Denn wie zahlreiche Eltern und Lehrer befürchten auch Wissenschaftler, dass die Argumente bibeltreuer Kreationisten mit Duldung des Staates den Weg zurück in die Klassenzimmer finden könnten. Zudem verfälsche das Gesetz die Tatsachen, wenn es die Evolution als wissenschaftlich umstritten darstelle, heißt es in einem Offenen Brief von acht renommierten Mitgliedern der »National Academy of Sciences«, die es für fahrlässig halten, im Unterricht gezielt Zweifel an der Evolution zu säen.

Nicht minder empört sind Wissenschaftler über die Verharmlosung des Klimaproblems. Wer als Lehrer erkläre, dass der vermehrte Ausstoß von Treibhausgasen womöglich ohne Einfluss auf die globale Erderwärmung sei, handele nicht nur verantwortungslos. Er verwirre seine Schüler, statt sie zu »erleuchten«, meint Alan Leshner, der als Geschäftsführer der »American Association for the Advancement of Science« zugleich für viele seiner Kollegen spricht. Aber auch diese Kritik hat in Tennessee bislang keine Wirkung gezeigt.

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